Der Blick auf die Baustelle des Krankenhauses Nord vor rund einem Jahr: Die bauliche Fertigstellung soll laut Plan Ende 2017 gelingen. Dann erst folgen die Inbetriebnahme der Technik, Probebetrieb und das behördliche Genehmigungsverfahren

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Wien – Dem Großprojekt Krankenhaus Nord, dem Herzstück des Wiener Spitalskonzeptes 2030, drohen neue Verzögerungen. Der technische Vollbetrieb des modernen Krankenhauses an der Brünner Straße in Wien-Floridsdorf dürfte frühestens 2018 erfolgen. Laut dem Bauherrn, dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV), soll nach aktuellem Planungsstand zwar weiter "die bauliche Fertigstellung Ende 2017 erfolgen". Danach erst folgen die Inbetriebnahme der Technik, der Probebetrieb und das behördliche Genehmigungsverfahren – was einige Monate in Anspruch nehmen dürfte.

"Besiedelung und Eröffnung folgen danach", heißt es vonseiten des Krankenanstaltenverbunds gegenüber dem STANDARD. Wann die ersten Patienten im neuen Spital im 21. Wiener Bezirk einquartiert werden können, wollte man im KAV auf Nachfrage nicht präzisieren. "Nach derzeitigem Stand", heißt es in einer Stellungnahme am Montag, "ist eine Übersiedlung von Spitalsabteilungen im Jahr 2018 geplant".

Aufbau der technischen Direktion

Die Anzeichen verdichten sich dennoch, dass ein Vollbetrieb erst im Jahr 2019 starten dürfte. Das zeigt auch ein Plan zur Ausstattung der technischen Direktion. Wie berichtet, hatte sich der KAV vor etwa drei Jahren dazu entschieden, selbst die Technik aufzubauen und zu betreiben. Derzeit sind in der technischen Direktion 15 Personen vor Ort. Im Endausbau sollen es 84 Mitarbeiter sein: 38 Professionisten, 28 Personen im Bereich Engineering, neun Personen in der Leitstelle und ebenso viele Mitarbeiter in der Medizintechnik.

Laut KAV ist aber zunächst nur geplant, "im Laufe des nächsten Jahres den Mitarbeiterstab auf insgesamt 45 Personen aufzustocken", was konkret heißt, dass zur geplanten baulichen Fertigstellung Ende 2017 erst knapp mehr als die Hälfte der geplanten Mitarbeiter in der technischen Direktion tätig sein werden. Der technische Probebetrieb im Spital benötige laut Experten aber eine lange Vorlaufzeit, womit laut Experten ein Vollbetrieb erst im Jahr 2019 realistisch erscheint.

Bei den Kosten geht man beim Wiener KAV weiterhin "von der genannten Summe", also Investitionen in Höhe von rund 1,1 Milliarden Euro aus. Diese Zahl war zuletzt im November des Vorjahres für das laut Eigenangaben "modernste Spital Europas" genannt worden.

Spital mit 785 Betten

Ursprünglich waren im Jahr 2010 für das Spital mit 785 Betten rund 825 Millionen Euro Investitionen geplant. 2014 erhöhte sich die Kostenschätzung auf 954 Millionen Euro. 2015 wurde diese Summe gleich zweimal nach oben korrigiert. Hauptgründe sollen laut KAV Fehlberechnungen der Statikfirma sowie der Konkurs eines Fassadenunternehmens gewesen sein.

Beteiligte erachten freilich auch signifikante Managementfehler des KAV als mitverantwortlich. Die Projektsteuerung wurde etwa im April 2016 gewechselt: Moser Architects, schon seit 2014 beim Großprojekt an Bord, übernahmen. Kritiker befürchten, dass mit möglichen weiteren Verzögerungen die Kosten von 1,1 Milliarden für den Steuerzahler nicht zu halten sind.

Feststellungsklage läuft

Der KAV hat angekündigt, sich Gelder von Unternehmen zurückholen zu wollen, kolportiert wurden bis zu 48 Millionen Euro. Neben zahlreichen Versicherungsmeldungen wurde im Juni 2015 auch eine Feststellungsklage eingereicht. Betroffen sind zwei Firmen, die in einer Arbeitsgemeinschaft für die Statik verantwortlich zeichnen. "Dazu liegt derzeit vom Gericht noch keine Entscheidung vor", heißt es vonseiten des KAV. Um die Schäden detailliert aufzuarbeiten, hat der Krankenanstaltenverbund ein Team unter dem Namen Forderungsmanagement eingerichtet.

Bundesrechnungshof prüft

Die Wiener FPÖ hat wegen der Kostenüberschreitungen den Bundesrechnungshof um eine Prüfung ersucht. Mit einem Ergebnis wird Mitte 2017 gerechnet. Die ÖVP geht von Kosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro aus.

Das Areal des Krankenhauses Nord umfasst insgesamt 111.000 Quadratmeter. Erwartet werden 250.000 Ambulanzbesuche und rund 17.000 Operationen im Jahr. (David Krutzler, 30.8.2016)