Wien – Bis vor wenigen Jahren verlief die Grenze zwischen 4. und 6. Bezirk noch der Länge nach durch den Naschmarkt. Weil diese Zweiteilung aber immer wieder zu bürokratischen Schwierigkeiten führte, wurde die Grenze 2009 an die Rechte Wienzeile verlegt. Der Naschmarkt ist heute also zur Gänze Teil des 6. Bezirks. Mit seinen 2,3 Hektar ist er der größte innerstädtische Markt Wiens.
Schon 1780 wurde entlang des damals noch unregulierten Wienflusses von Bauern mit Milchprodukten gehandelt. Bis gemauerte Marktstände entstanden, sollte es noch mehr als 100 Jahre dauern. Erst von 1910 an wurden mehr als 120 Marktstände im einheitlichen Stil von Otto Wagner geplant und schließlich errichtet. Bei der Kettenbrückengasse wurde 1916 das Marktamtsgebäude fertiggestellt.
Vom Aschenmarkt zum Naschmarkt
Die Namensherkunft ist nicht eindeutig geklärt. 1905 erhielt der ehemalige Kärntnertormarkt den Namen Naschmarkt. Er rührt womöglich daher, dass er früher als Aschenmarkt bezeichnet worden war. Vor dem Freihaus am Beginn der Wiedner Hauptstraße hatte sich im 18. Jahrhundert nämlich an der Stelle einer früheren städtischen Aschen- und Mistablagerungsstätte ein kleiner Milchmarkt etabliert. "Asch" war aber auch eine gängige Bezeichnung für die aus Eschenholz gefertigten Milchkannen.
Die Bezeichnung Naschmarkt, so meinen Historiker, ist möglicherweise eine Verballhornung von Aschenmarkt – auch im Hinblick auf die am Markt erhältlichen Waren, die zum Naschen anregen.
Konflikte durch Gastronomie
Im Lauf des 20. Jahrhunderts freute sich der Markt über immer mehr Beliebtheit. Ab den 1990er-Jahren entstanden nach und nach Gastronomiebetriebe auf dem Areal. Das führt seither jedoch auch zu zahlreichen Konflikten. Standler sehen sich unter schwierigen ökonomischen Bedingungen und fürchten, vom Markt verdrängt zu werden (DER STANDARD berichtete). Die Stadt stellte folgende Regel auf: Maximal ein Drittel der zur Verfügung stehenden Marktfläche darf für gastronomische Zwecke verwendet werden.
2010 wurden die Weichen für die Zukunft gestellt: Wasser- und Stromleitungen sowie Kanalisation und Regenwasserabfluss wurden komplett erneuert. Die Kosten für die Sanierung beliefen sich auf rund 15 Millionen Euro. Aktuell gibt es 123 fixe Marktstände und 60 Plätze für landwirtschaftliche Erzeuger sowie Marktfahrerinnen und Marktfahrer.
Beliebte Touristenattraktion
Bei Schönwetter besuchen den Markt mehr als 65.000 Personen pro Woche – Touristen inklusive. Der Naschmarkt ist eine begehrte Wiener Sehenswürdigkeit, die in keinem Reiseführer fehlt.
Seit 1977 gibt es angrenzend an den Naschmarkt jeden Samstag einen Flohmarkt, den bis zu 15.000 Menschen besuchen. Das Angebot reicht von Kristallgläsern, Spitzendecken, Büchern und Schallplatten bis zu rostigen Badewannenarmaturen, Secondhand-Bekleidung und historischen Möbeln. Spezial- und Allroundhändler bieten ihre Waren an.
Fest zum Jubiläum
Am 2. und 3. September feiern Verantwortliche der Stadt Wien gemeinsam mit den Standlerinnen und Standlern das 100-jährige Jubiläum des Marktes. Auf der Schleifmühlbrücke, seit 2015 eine 35 Meter lange Begegnungszone, wird eine Bühne errichtet, auf der unter anderen Harri Stojka auftreten wird. (Rosa Winkler-Hermaden, 1.9.2016)