Hans Jörg Ulreich: "Ich brauche jedesmal einen Gutachter, wenn die Miete bekämpft wird."

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Walter Rosifka: "Es ist völlig falsch, dass Baukosten in 15 Jahren refinanziert werden müssen."

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WKÖ-Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich und AK-Wohnrechtsexperte Walter Rosifka haben oft unterschiedliche Ansichten. Im STANDARD-Streitgespräch waren sie aber immerhin einer Meinung, dass es ein Mietrecht bräuchte, das Investitionen ins Haus belohnt. Außerdem konnten sie sich auch auf ein völlig neues Befristungsmodell einigen.

STANDARD: Erst sah es nach einer Einigung zwischen SPÖ und ÖVP beim Mietrecht aus, später offenbarten sich doch noch fundamentale Differenzen. Wird das noch was mit SPÖ und ÖVP?

Rosifka: Kommen wird auf jeden Fall etwas. Es gibt Themenbereiche, die nicht so umstritten sind, wo man Verbesserungsbedarf ortet und etwas verbessern wird. Bei den Mietervertretern herrscht große Einigkeit, aber bei den Vermieter-Interessensorganisationen herrschen unterschiedliche Interessen vor. Das Absurde dabei: Teile der ÖVP bzw. Immobilien-nahe Gruppen bekämpfen das Richtwertsystem vor dem Verfassungsgerichtshof, andere Teile sagen, es ist eh super.

Ulreich: Ein großer Wurf wird’s nur, wenn dieses Mietrecht in der Lage ist, mehr Angebot zu schaffen. Die Mieten werden nur sinken, wenn wir mehr Wohnungen zusammenbringen. Das Problem gibt’s übrigens nur in Wien, wo der Richtwert zu niedrig ist. Warum muss der um 40 Prozent niedriger als der von Graz sein? Das ist gleichheitswidrig.

Rosifka: Die Richtwerte sind 1994 ausgehend von den Grund- und Baukosten in den Bundesländern ermittelt worden. Das Spannende ist: In Tirol hat man Baukosten von 14.000 Schilling je Quadratmeter gemeldet, in Wien 15.000, in der Steiermark 16.000. Nur in Vorarlberg hat man 22.000 Schilling gemeldet. Da kommt aber keiner auf die Idee, dass in Vorarlberg getrickst worden wäre. Nur in Wien sagt die Immobilienwirtschaft, dass getrickst wurde. Die Grundkosten waren aber damals in Wien um 1000 Schilling pro Quadratmeter höher zugrunde gelegt, als in der Steiermark. Und diese Daten wurden von den Landeshauptleuten gemeldet, auf diese Daten musste man sich verlassen. Der Beirat, in dem ja auch Vermietervertreter saßen, hat nur vollzogen, was die Landesregierungen gemeldet haben. Dass manche Länder keine Baukosten abgezogen haben für die im Altbau gar nicht vorhandenen Garagen, da kann ja der Beirat nichts dafür.

Ulreich: In Wien hat man die höchsten förderbaren Baukosten genommen, wohl wissend, dass man um die nicht bauen kann.

Rosifka: Man hatte nur die Daten über den geförderten Wohnbau und verständigte sich darauf, diese Daten heranzuziehen. Für den freifinanzierten Bereich hätte man nur die Möglichkeit gehabt, von der Statistik Austria allenfalls unscharfe Daten zu bekommen.

Ulreich: In Wien wird aber immer noch mit 50 Prozent Erschwernissen gebaut. Das ist einmal ein großer Teil. Und in Graz hat man die Stellplätze nicht aus den Baukosten herausgerechnet, in Wien schon. Die große Wahrheit ist aber, dass die zwei mächtigsten Länder bzw. Männer in diesem Staat damals gesagt haben: Bei mir darf die Nettomiete nicht mehr als 50 Schilling je Quadratmeter sein. Und auf das wurde hingerechnet.

STANDARD: Ist das heute die Wurzel allen Übels?

Ulreich: Ja. Heute vermietet Wiener Wohnen seine Kategorie-A-Gemeindewohnungen zum Richtwert. Das geht sich aber auch dort nicht aus, die müssen ihre Verluste aus dem Budget abdecken. Als privater Vermieter kann ich das aber nicht. Wie soll ich zum Tarif der Wiener Gemeindewohnungen vermieten können?

Rosifka: Die Frage ist, ob sich nicht ein Mietsystem schaffen lässt, das Investitionen ins Haus belohnt.

Ulreich: Wesentliche Drehschraube sind die Investitionen. Es muss einen Anreiz geben, zu sanieren. Ich darf heute ohne Wohnbauförderung und ohne Lagezuschlag nur sechs Euro netto verlangen. Mit 50 Prozent Wohnbauförderung sind’s plötzlich acht Euro, und wenn ich eine gemeinnützige Bauvereinigung bin, sogar zwölf Euro. Aber freifinanziert bin ich limitiert mit dem Richtwertzins. Wenn ich 8 oder 9 Euro verlange, ohne Förderung, bin ich ein Verbrecher.

Rosifka: Zivilrechtlich ja. Aber 6 Euro ist nicht die Grenze. Die ergeben sich, nachdem Sie den Befristungsabschlag abgezogen haben. Ich kann mich an Verfahren erinnern, wo wir bei 8 Euro pro Quadratmeter zulässigem Hauptmietzins waren, ausgerechnet von der Schlichtungsstelle. 8 oder 9 Euro sind’s bei den geförderten Sanierungen. Das ist unseres Erachtens natürlich auch nicht sachgerecht. Denn da sind wir beim Thema der Refinanzierung. Ich glaube dass es völlig falsch ist, wie es in der Sockelsanierung immer wieder war, dass man die Baukosten innerhalb von 15 Jahren refinanziert haben muss. Das sind Dinge, die 40 Jahre lang halten, das Dach, neue Steigleitungen etc. Und dann müssen diese Errichtungskosten binnen 15 Jahren refinanziert werden.

STANDARD: "Schuld" ist da aber das Förderregime.

Ulreich: Naja, nach 15 Jahren muss halt die Fassade wieder gemacht werden. Die Sache ist aber die: Ich habe 2000 Euro Sanierungskosten pro Quadratmeter, die muss ich netto finanzieren. Ich geh zur Bank, die sagt: In einer Gegend ohne Lagezuschlag darf ich 5,60 Euro verlangen, wenn man das kapitalisiert ist das Objekt 1500 Euro pro Quadratmeter wert. Die Bank muss mit dem gesetzlichen Mietzins rechnen. Ich bekomme also nur zwei Drittel, somit 1000 Euro pro Quadratmeter finanziert, brauche aber 2000. Wenn ich aber befristet vermiete, gilt es wie eine Eigentumswohnung, und das Ganze ist nicht 1500, sondern plötzlich 3000 Euro/m² wert. Nur wegen der Befristung krieg ich also die Finanzierung.

STANDARD: Wäre das einfacher, wenn die Zuschläge auf den Richtwert klarer wären, weil sie im Gesetz stehen?

Ulreich: Ja, aber die Preisregelungen funktionieren nicht. Ich kann nicht einen Markt, wo es Zehntausende Anbieter und Hunderttausende Nachfrager gibt, preisbestimmen. Ich bekenne mich auch zur Preisregelung. Wohnungen in schlechtem Zustand kann man preisregeln. Aber Neubauten oder sehr gut sanierte Altbauten sollen frei vermietet werden können. Das wäre der größte Anreiz, der den Steuerzahler nichts kostet. Und genau das wäre der große Wurf.

Rosifka: Dann bräuchte man aber zuerst einmal ein Mietrechtssystem, das tatsächlich funktioniert. Ich bekomme immer wieder solche Rückmeldungen: Ein Eigentümer ruft mich an, er hat ein Zinshaus geerbt, seine Schwester das Nebenhaus. Er saniert mit hohem Aufwand, verlangt 8,50 Euro netto. Die Schwester hat nichts saniert, verlangt genau das gleiche. Das sieht er nicht ein. Das ist genau das Thema. Ich muss ein System schaffen, wo diejenigen, die nicht diese Qualität bieten, eine Mietzinsbegrenzung haben, die sie auch einhalten müssen. Jetzt ist das eine Wischi-Waschi-Lösung.

STANDARD: … bei der viel zu viele Gutachter im Spiel sind. Herr Ulreich, wie oft brauchen Sie derzeit einen Gutachter?

Ulreich: Jedesmal. Also: Jedesmal, wenn die Miete bekämpft wird. Mein Vorschlag wäre: Wenn man mit einer Sanierung einen Heizwärmebedarf von maximal 60 kWh erreicht, sollte man marktüblich vermieten dürfen.

STANDARD: Wieso gerade 60?

Ulreich: Das ist bei einem Gründerzeithaus grundsätzlich machbar. Auch bei historischen gegliederten Fassaden. Wenn ich das schaffe, tu ich der Umwelt was Gutes, und das ist außerdem leicht und nachvollziehbar.

Rosifka: Da bin ich völlig d’accord. Wenn man sowieso einen Energieausweis fürs Haus braucht, in dem die energetische Kennzahl drinsteht, braucht man keinen Gutachter mehr. Im Gesetz stünde dann eben: Energetischer Standard von soundso ist gleich Zuschlag von 20 oder 40 Prozent.

STANDARD: Sollte ein so gut saniertes Zinshaus auch als Neubau angesehen werden?

Ulreich: Ab HWB 30 würde ich sagen: freie Vermietung, ab HWB 60 angemessener Mietzins.

STANDARD: Das wären doch klare Regeln, nicht?

Rosifka: Ja, das wären klare Regeln.

Ulreich: Und für alle anderen soll es so bleiben wie es ist.

Rosifka: Naja, damit habe ich schon ein Problem. Wenn ich noch mehr Wohnungen aus der Mietzinsbegrenzung herausnehme, aufgrund von Qualitätsmerkmalen, und gleichzeitig sorge ich nicht dafür, dass die, die nicht diesen Qualitätskriterien entsprechen, in das Richtwertsystem fallen, ist das der falsche Weg. In den Verhandlungen war ja immer wieder das Thema: Ja, gewisse Wohnungen sollen neu rein in das Richtwertsystem. Dafür sollen besonders tolle Wohnungen angemessen oder sogar frei vermietbar sein. Derzeit ist ja jede noch so miese 130-m²-Wohnung aus dem Richtwertsystem draußen, sofern sie mindestens Kategorie B ist. Wir haben sogar besonders schlechte Wohnungen, für die es einfach keine Mietzinsbegrenzung gibt – obwohl sie total schlechte Qualität haben. Die Mieterseite kann damit sicher leben, wenn die supertoll sanierten Wohnungen angemessen vermietet werden. Aber die, die nicht diesen Qualitätskriterien entsprechen, bei denen muss eine Mietpreisgrenze gelten, die auch wirkt.

STANDARD: Sollte es nicht auch schärfere Sanktionen geben, falls Vermieter sich nicht an den Richtwert halten? SPÖ-Bautensprecherin Ruth Becher hat kürzlich von einem aktuellen Urteil berichtet: Ein Vermieter verlangte für 90 m² in Karlsplatz-Nähe mehr als 1000 Euro netto, von der Schlichtungsstelle wurde die Miete auf 680 reduziert. Das zuviel verlangte muss zurückgezahlt werden.

Ulreich: Naja, wir haben ja die Wucher-Bestimmungen. Die soll man meinetwegen neu definieren, dass schon 50 Prozent über dem Schnitt Wucher ist. Aber wer um 11 Euro am Karlsplatz vermietet, ist das ein Wucherer?

Rosifka: Also er hat jedenfalls eine gesetzliche Obergrenze verletzt, also er ist ein Rechtsbrecher.

STANDARD: Sollten da die Makler mehr in die Pflicht genommen werden?

Ulreich: Zuerst braucht man ein System, das nicht jedem auferlegt, zum Gemeindebau-Satz zu vermieten. Wir sind ja derzeit alle Rechtsbrecher, weil wir am Karlsplatz nicht zum Gemeindebau-Satz vermieten.

STANDARD: Aber der Rechtsbruch hat keine Auswirkungen.

Ulreich: Doch, man muss die zuviel bezahlte Miete zurückzahlen. Das ist Strafe genug.

Rosifka: Also da muss ich mal widersprechen: Sie können diese Wohnung um mehr als 50 Prozent über der Gemeindewohnungsmiete vermieten. Schauen wir uns die Schlichtungsstellenentscheidung in diesem Fall doch mal genauer an: Die Miete wurde von der Schlichtungsstelle für 2012 auf 7,20 Euro/m² herabgesetzt, ab 2015 auf 8,50 Euro/m² netto, Betriebskosten und Umsatzsteuer kommen noch dazu. Also zahlt der Mieter derzeit netto um 58 Prozent mehr als die aktuelle "Gemeindebaumiete". Und diese Wohnung war offenbar in einem nicht besonders guten Zustand.

Ulreich: Im Urteil steht "guter Zustand". Das kann kein Loch gewesen sein. Die Schlichtungsstelle hat den politischen Auftrag, die Mieten niedrig zu halten.

Rosifka: Das glaube ich nicht, denn die aktuellen, von der Schlichtungsstelle angewandten Lagezuschläge sind wahnsinnig hoch. Und bei dem Fall am Karlsplatz beträgt die Rendite sicher 15 Prozent, jede Wette.

Ulreich: Ein Zinshaus kostet dort 3000 Euro pro Quadratmeter.

Rosifka: Ja, jetzt, und nur in Innenstadtnähe. Aber die Frage ist, wann der Vermieter es gekauft hat.

STANDARD: Der Mietvertrag wurde jedenfalls 2012 abgeschlossen.

Ulreich: Ich komme auf eine Rendite von zwei Prozent.

Rosifka: Ich gehe von 15 Prozent aus. Noch dazu wertgesichert. Das muss man ja auch sehen. Und die Rendite rechnen Sie nicht auf das, was er eingesetzt hat, sondern auf das, was er bekommen würde. Wir wollen, dass die Leute neue Wohnungen schaffen. Aber diejenigen, die sich jetzt aufregen, sind die, die das Haus vor 20 Jahren gekauft haben, um ein Viertel. Und in der Regel gab es seitdem keine wertsteigernden Maßnahmen.

Ulreich: Eines stimmt: Derzeit saniert keiner. Seit wir übers Mietrecht reden, ist die Sanierungsrate um 50 Prozent zurückgegangen. Weil die Unsicherheit für Investitionen das größte Gift ist. Wir hätten jetzt aber die Chance: Es fließt irrsinnig viel Geld in Immobilien, aber nicht in den Wohnbau und schon gar nicht in die Sanierung. Siehe das Beispiel von vorhin: Der Bruder, der saniert hat, ist der Depperte. Der saniert um 2000 Euro pro Quadratmeter und kriegt um einen Euro mehr Miete. Deshalb machts keiner. Das ist der Grund, warum derzeit Zinshäuser gekauft werden, aber nicht saniert. Es macht Sinn, es zu kaufen, weil es mehr wert wird. Aber es macht keinen Sinn, es zu sanieren.

Rosifka: Der Bruder kommt aber mit den 8 Euro aus, sagt er mir. Er versteht nur nicht, warum seine Schwester auch ums gleiche vermieten darf.

Ulreich: Stiftungen fragen mich immer wieder: "Herr Ulreich, kommt die Mietpreisgrenze jetzt auch im Neubau?" Das heißt: Nach 20 Jahren den Gemeindebau-Mietzins. Das ist der "wirtschaftsliberale Korridor", den die SPÖ meint.

STANDARD: Frau Becher hat gesagt, es gibt da noch Spielraum.

Ulreich: Dann sind’s halt dreißig Jahre. Danach: Gemeindebau-Mieten!

Rosifka: Alles was vor 1945 errichtet wurde ist schon jetzt im Richtwertsystem.

Ulreich: Aber bei allem, was derzeit neu gebaut wird, habe ich nie eine Mietpreisgrenze. Die Investoren sind aber extrem verunsichert. Durch das "Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz", durch den nachträglichen Eingriff bei den Steuern, die Verlängerung der Abschreibung von 10 auf 15 Jahren. Man traut denen auch eine Mietpreisgrenze im Neubau zu. Das ist so.

Rosifka: Das ist eine bewusste Panikmache. Das Universalmietrecht war in erster Linie ein Verhandlungspapier. Da ist es immer so, dass man mit dem, mit dem man reingeht, nicht rauskommt. Ich glaube nicht, dass irgendjemand davon ausgegangen ist, dass am Ende wirklich die 5,50-Euro-Basismiete rauskommt. Auch bei den 20 Jahren ist das so.

Ulreich: Beim MILG war den wenigsten Abgeordneten bewusst, dass sie auch den ganzen Gemeindebaumietern, also den ohnehin Privilegierten, was erspart haben.

Rosifka: Man hat auch den 280.000 Altbaumietern geholfen.

Ulreich: Ja, aber die haben ja eh schon die beschränkten Mieten.

Rosifka: Aber das ist ja auch ein Problem unserer ganzen Mietrechtslandschaft, die Zerklüftung. Das Richtwertsystem betrifft in Ballungsgebieten sehr viele, in anderen Gebieten fast niemanden.

Ulreich: 14 Prozent der Mieter in Wien und 6 Prozent in Österreich unterliegen dem Richtwert. Die können die Welt nicht retten, Herr Rosifka!

Rosifka: Das spricht dafür, dass man die Leute in den schlechten Sechzigerjahre-Bauten ins Boot holt. Das Problem war, dass man 1981 diese fixen Begrenzungen 1945 und 1953 gemacht hat. Und einerseits, dass das Mietrecht für die geförderten Mietwohnungen voll gilt, für die geförderten Eigentumswohnungen nicht. Das ist die Absurdität: Dass ich ein gefördertes Zinshaus – als Nicht-GBV – hochziehen kann, also geförderten Neubau, und nach 25 Jahren sind die aus der förderungsrechtlichen Mietzinsbegrenzung draußen. Dann machen die aber eine Parifizierung, und nur dadurch sind sie aus dem Vollanwendungsbereich draußen. Das sind Absurditäten, die man niemandem mehr erklären kann.

Ulreich: Da bringen wir sicher eine Lösung zusammen. Aber das ist ja nicht der Knackpunkt. Derzeit wird 50 Prozent von dem, was baubewilligt ist, nicht gebaut. Diese Bewilligungen laufen aus. Davon redet aber niemand. Gebraucht werden jährlich 17.000 Wohnungen in Wien. Es fehlen 10.000 Wohnungen.

Rosifka: Ja, aber wir brauchen günstige Wohnungen. Eine Vorsorgewohnung, die jetzt errichtet wird, ist nicht günstig.

Ulreich: Das ist eine Wohnung, die den Bedarf deckt. Derzeit werden Zwei-Zimmer-Wohnungen mit 40 m² gesucht, die werden um 500 oder 600 Euro vermietet – das ist das, was wir brauchen. Die GBV bauen laut Statistik Austria nur mehr 2600 im Jahr – wie will der Stadtrat Ludwig seine 12.000 zusammenbringen?

Rosifka: Die GBV-Wohnungen können halt auch nur dort gebaut werden, wo es die Infrastruktur gibt – und die fehlt oft.

Ulreich: Bei den Baukosten kommt man um ein Drittel runter, wenn man keine Stellplätze bauen muss und beim Brandschutz etwas zurücknimmt. Da sind wir mit den Gemeinnützigen völlig d’accord. Übers Mietrecht nicht mehr reden, dann fürchten sich die Investoren nicht, sondern bauen, und die Leute haben eine Hackn. Dann kann man auch noch steuerliche Anreize geben, das ist billiger als die Wohnbauförderung. Schneller abschreiben lassen. Und der Staat soll seine Grundstücke auf den Markt schmeißen. Und das letzte ist: Wenn es zu "Land Banking" kommt, dann soll es Abgaben geben, wenn nicht gebaut wird.

STANDARD: Also höhere Grundsteuern?

Ulreich: Wie das heißt, ist egal. Aber das "Land Banking" muss aufhören.

Rosifka: Wenn jemand aufgrund hoheitlicher Akte Gewinne macht, und die Allgemeinheit badet das aus, indem die Wohnungen nicht leistbar sind, ist das ein Riesenproblem. Das sehe ich auch so. In Südtirol muss man die Hälfte oder ein Drittel abtreten, wenn man was gewidmet bekommt. Spannend ist nur, dass man bei bebauten Grundstücken dasselbe Problem negiert oder überhaupt in Abrede stellt. Die Gewinne aufgrund von öffentlich finanzierten Infrastrukturmaßnahmen wie dem U-Bahn-Bau will die Immobilienwirtschaft bei bestehenden Gebäuden abschöpfen, ohne dass man was hergibt davon. Soll man diese Wertsteigerung zulassen oder nicht?

Ulreich: In Ottakring neben der U-Bahn bzw. neben dem Brunnenmarkt gibt’s auch keinen Lagezuschlag. Dort kann ich um 30 oder 40 Prozent weniger verlangen als in Eisenerz. Ein anderes Problem ist: Die leistbaren Wohnungen, das sind die ausbezahlten Genossenschaftswohnungen und die alten Gemeindewohnungen. Wer wohnt da drinnen? Ich behaupte, dass 10 bis 20 Prozent dieser Wohnungen gehortet werden.

STANDARD: Fehlbelegung ist auch in Zinshäusern ein Thema. Alleinstehende ältere Damen, die in großen Wohnungen mit alten Mietverträgen wohnen, sogar gerne in kleinere Wohnungen übersiedeln wollen, zu dem Preis aber nicht mal eine halb so große Wohnung kriegen.

Ulreich: Wenn so jemand übersiedeln will, dann finde ich eine passende Wohnung und zahle die Differenz. Das schafft man, auch im selben Grätzl. Wer das nicht schafft, ist ein schlechter Vermieter. Das Problem ist, wenn dort jemand eintreten will, ein Enkel etwa. Das ist dieser Mietadel. Die schummeln sich rein und sagen dann vielleicht sogar noch, dass die Elektrik nicht auf dem neuesten Stand ist, das alles neu gemacht gehört. Das sind so die Fälle, wo’s den Vermietern die Haare aufstellt. Dann hat man einen Tausender pro Quadratmeter investiert, und hat um drei Euro pro Quadratmeter einen drinnen, der 30 Jahre alt ist. Die Fälle gibt’s auch.

Rosifka: Ja, aber es gibt auch einen "Vermieteradel". Leute, die in den 80er-Jahren Häuser um einen Pappenstiel gekauft haben, die jetzt auch ohne Sanierung ein Vielfaches wert sind. Dort treten Mieter in einen Mietvertrag ein, haben dort auch wirklich gewohnt, die Eltern haben die Kategorie der Wohnung auf ihre Kosten angehoben und die eintretenden Kinder müssen eine Mietzins-Anhebung in Kauf nehmen. Der Vermieter hat null investiert, kriegt aber plötzlich das Vierfache. Von 0,86 auf 3,43 Euro pro Quadratmeter, Betriebskosten und Umsatzsteuer kommen ohnehin noch dazu. Sowas gibt’s auch. Wenn ein Vermieter eine Wohnung zurückbekommt, dort was investiert und neu vermietet, dann muss das ein Unterschied sein zu dem Fall, wo ein Vermieter einen neuen Mieter bekommt weil jemand eintritt, und er muss nix machen.

STANDARD: Zum Schluss noch zum Thema Befristungsabschlag: Offenbar gäbe es da eine Einigung zwischen SPÖ und ÖVP, nur bei der Dauer der Verlängerungsoption hakt es. Für Mieter klingt das nach einer Verbesserung, aber werden die Befristungen dadurch nicht einzementiert?

Ulreich: Das Problem ist ein anderes: Zehntausende Wohnungen werden dadurch gar nicht mehr vermietet. Meine Kinder sind zB im Teenageralter. In drei bzw. fünf Jahren werde ich eine Wohnung brauchen. Nach der neuen Regelung wären das aber acht Jahre Mindestbefristungdauer!

Rosifka: Eine vorzeitige Kündigung nach Paragraph 30 MRG ist ja möglich.

Ulreich: Ja, aber die hält nicht, das ist totes Recht, Herr Rosifka!

Rosifka: Das ist ein Märchen. Die Judikatur der letzten 20 Jahre hat die Eigenbedarfskündigung extrem vereinfacht.

Ulreich: Wie lange dauert ein Kündigungsverfahren? Zwei Jahre Minimum, wenn man Glück hat. Wenn dort absehbar ist, dass ich die Wohnung genau in drei Jahren brauche, weil der Sohn maturiert, dann ist es eine versteckte Befristung.

Rosifka: Sie befristen auf fünf Jahre und vereinbaren eine Kündigungsmöglichkeit zum Beispiel per 31. Dezember 2018, wegen Eigenbedarfs, weil dann Ihr Sohn 18 ist. Das hält!

Ulreich: Das hält nicht! Zumindest kriegen alle Leute diese Rechtsauskunft ihrer Anwälte.

Rosifka: Ja das stimmt, weil sich die Anwälte auch nicht auskennen. Sinnvoll wäre die Regelung mit den qualifizierten Zeitmietverträgen wie in Deutschland. Dort sind Befristungen prinzipiell unzulässig, aber in bestimmten Fällen sozusagen maßgeschneidert erlaubt. Man kann auf fünf Jahre, ein Jahr, 17 Monate befristen, indem man als Vermieter zum Beispiel vereinbart: Mein Sohn ist 13 Jahre alt, wenn er 18 ist, dann will ich die Wohnung für ihn haben. Die Befristung ist an einen sachlich gerechtfertigten Grund geknüpft.

STANDARD: Sinnvolle Regelung, Herr Ulreich?

Ulreich: Prinzipiell: Jeder Mieterwechsel kostet Geld. Die Wohnung ausmalen, Boden abschleifen, das sind in der Regel zwei Monatsmieten. Aus der Sicht des Vermieters wird jeder Mieter verlängert, wenn ich nicht gerade zum Bauen anfange, die Nachbarwohnung dazu saniere, oder der Mieter sich ungebührlich verhalten hat.

STANDARD: Oder zur Schlichtungsstelle gegangen ist.

Ulreich: Ist auch eine Möglichkeit. Aber das ist wie schon eingangs gesagt nicht der Hauptgrund, aber ein weiterer, warum befristet wird. Wenn einer die Wohnung versaut, ist eine Jahresmiete weg. Da hilft auch die Kaution nix.

Rosifka: Der vielzitierte Mietnomade, das ist doch nicht der Normalfall. Das ist der Arbeitnehmer, der mit seiner Familie eine Ruhe haben und dauerhaft wohnen will.

Ulreich: Der wird auch ohne Probleme verlängert!

Rosifka: Oft nicht – wir haben solche Fälle immer wieder.

Ulreich: Ja eh, die paar kommen ja auch alle zu euch. 98 Prozent haben aber keine Probleme.

Rosifka: 69 Prozent aller Wohnungen im privaten Altbau sind heute befristet. Weil man nach vier Jahren schauen kann, ob der Markt mehr hergibt. Und natürlich weiß der Mieter: Wenn der Vermieter 10 oder 15 Prozent mehr haben will, ohne mehr zu leisten, ist das ärgerlich; andererseits, wenn man sich dem beugt, hat man wieder den Umzugsstress, Provision, etc.

Ulreich: Das sind nur eine Handvoll Fälle. Ich muss eher, wenn einer nach fünf Jahren wieder auszieht, die Miete reduzieren, weil die Betriebskosten durch die öffentlichen Abgaben so gestiegen sind. Also ich verliere mit jedem Mieterwechsel Geld.

STANDARD: Herr Ulreich, wie viele Mietnomaden hatten Sie schon?

Ulreich: Also wirklich jemanden, der alles verwüstet hat, hatte ich einen. Leute, die nicht mehr zahlen können, hat man natürlich öfter. Die Angst, den Mieter nicht mehr loszuwerden, ist vorhanden. Deshalb lassen einzelne Wohnungsbesitzer sicher auch Wohnungen leer stehen. Wir haben in Wien aber extremen Zuzug, 40.000 im Jahr, und wir bauen nur 6000 Wohnungen. Also müssen wir dringend Wohnungen aktivieren. Wenn ich die Befristungen auf acht oder zehn Jahre ausdehne, schafft man das aber nicht. Keine einzige Wohnung. Im Gegenteil, man verliert Zehntausende. Aber das hat die SPÖ bis heute nicht verstanden: Was die macht, vertreibt die Vermieter.

Rosifka: Dann sagen Sie Ihren lieben Freunden von der ÖVP, dass sie dieser Regelung, unbefristete Mietverträge und qualifizierte Zeitverträge, zustimmen sollen. Dann kann jeder – mit einem sachlich gerechtfertigten Grund – beliebig befristen.

Ulreich: Wir haben ein wesentlich intelligenteres Modell: Drei bis zwölf Monate gratis wohnen, wenn der befristete Mietvertrag nicht verlängert wird.

STANDARD: Bei welcher Mindestbefristungsdauer?

Ulreich: Ich hätte eher kürzere Laufzeiten erlaubt. Also die drei Jahre nicht antasten, von mir aus ein höherer Abschlag, damit man kurzfristige Wohnungen hat. Und ein Befristungsmodell, bei dem es Cash zurückgibt, wenn nicht – natürlich zu den gleichen Konditionen! – verlängert wird, oder einige Zeit mietfrei. Drei bis zwölf Monate. Da wird sich jeder überlegen, ob er jetzt die Miete um 10 Prozent anhebt oder nicht.

Rosifka: Ein Jahr mietfrei, das ist ein Abschlag bei einem 3-Jahres-Mietvertrag von 33 Prozent. Ja, warum nicht? Wenn ich ein Jahr lang mietfrei bleibe, ist das nicht schlecht. Aber was macht man mit einem Mieter, der fünf Jahre befristet hat, aber nach dreieinhalb Jahren von selbst geht?

Ulreich: Der kriegt natürlich keinen Abschlag.

STANDARD: Das klingt doch nach einem fairen Deal.

Rosifka: Ich hab aber als Mieter das Problem, dass ich mir wieder was Neues suchen muss.

Ulreich: Müssen Sie nicht! Sie werden ja verlängert!

Rosifka: Okay – ein Jahr mietfrei. Und wenn verlängert wird, dann zu denselben Konditionen.

Ulreich: Ja! Und wenn man ein Jahr vor Ablauf vom Vermieter nichts hört, ist automatisch um drei Jahre verlängert.

STANDARD: Das ist doch ein guter Abschluss, oder?

Rosifka: Ja, wenn man sich ein Jahr vorher darauf einstellen kann, und dann ein Jahr lang gratis wohnt. Der Befristungsabschlag wird also erst dann schlagend, wenn nicht verlängert wird.

Ulreich: Und man hätte aber doch den Effekt eines unbefristeten Vertrages!

Rosifka: Spannende Geschichte!

Ulreich: Und das lässt sich super verkaufen! Das versteht nämlich ein jeder: Wenn nicht verlängert wird, zahle ich nichts mehr! (Langfassung des Streitgesprächs; 3.9.2016)