Wien – Einmal, erzählt Rudolf Goessl, sei er nach seinem Stil gefragt worden: "Aber ich habe keinen! Einen Stil zu haben ist grauenhaft. Ich fange jedes Mal bei null an. Erst die Kunsthistoriker machen einen Stil daraus."

Diese Verweigerung, kunstmärktlerischen Gesetzen und Stildiktaten zu gehorchen, hatte gravierende Auswirkungen auf das, was man gemeinhin "Erfolg" nennt. Zwar stellte ihn schon 1973 Monsignore Otto Mauer in der Galerie nächst St. Stephan aus – es war Mauers letzte Ausstellung vor seinem Tod. "Aber", sagt Goessl, "hätte mich meine Frau nicht zeitlebens finanziell unterstützt, gäbe es mich als Künstler gar nicht." Die Wiener Museen jedenfalls übersahen ihn geflissentlich.

Rudolf Goessl: "Freitag" (Triptychon aus dem Jahr 1978). Farbschlitze wie Türen in eine andere Welt.
Foto: Ernst Kainerstorfer

Nur Alfred Schmeller, zwischen 1969 und 1979 Direktor des 20er-Hauses, erwarb ein Bild fürs Museum. Umso passender, dass nun just das 21er-Haus eine kleine, feine Personale mit Arbeiten aus den 1960er- und 1970er-Jahren zeigt. Goessls Frühwerk hat, das zeigt die Schau eindrücklich, nichts an Kraft verloren. Im Gegenteil, es ist aufregender und radikaler, empfindsamer und bahnbrechender als so manch aktuelle Arbeit jüngerer Kollegen, als deren Wegbereiter man ihn mit Fug und Recht betrachten kann.

Unter dem Titel Malerei im Wandel hat Kurator Harald Krejci Goessls frühe Bilder nicht in eine chronologische Ordnung gezwungen. Eher sind es klug gewählte Zitate eines komplexen, lebenslangen Schaffens- und Forschungsprozesses, in dem sich Goessl mit den essenziellen Fragen der Malerei auseinandersetzt: Raum, Farbe, Form, Proportion, Perspektive.

Rudolf Goessl, 2016.
Foto: Roland Unger, © Belvedere, Wien

Der 1929 im Weinviertel geborene Künstler absolvierte die Meisterklasse für Gebrauchsgrafik. Doch seine Informationen bezog er aus Magazinen und auf Reisen. Nur eine Woche durchstreifte er 1967 New Yorks Galerien und Museen, ließ sich von Pop-Art und Farbfeldmalerei, etwa Clyfford Stills, Barnett Newmans oder Mark Rothkos, zu den Raumbühnenbildern inspirieren.

Zwischen Hell und Dunkel

Die grellpoppige, konstrast reiche Farbigkeit seiner abstrakten Kompositionen wich allerdings bald einer zunehmend asketischen Malerei. Das Farbspektrum reduzierte sich auf Grau-, Schwarz- und Brauntöne. Goessl verhängte die klar umrandeten Leinwände mit extrem dünn aufgetragenen Farbschichten, schuf räumliche Tiefen aus Schatten und Licht. Anders als Lucio Fontana durchbohrte er die Leinwand nicht physisch, sondern erhellte das diffus flirrende Farbamalgam mit bleichfarbenen Schlitzen, so als öffnete er eine Tür in eine andere Welt, in seine Welt hinter der Welt. Innenblick heißt ein Triptychon aus dem Jahr 1973 mit fein vermalten Schattengängen zwischen Hell und Dunkel. Das schwarze Loch. Die Materie. Die Monochromie als Gleichnis des Lebens. Seine neuen Arbeiten, sagt Rudolf Goessl, sind noch spiritueller, ja, er scheue sich nicht zu sagen, sie sind religiös, was immer man darunter verstehen möge.

Rudolf Goessl, Innenblick, 1973.
Foto: Ernst Kainerstorfer

"Ich nähere mich dem Nichts. Es zu malen, haben schon viele Künstler versucht, es ist das Schwierigste. Dass ich noch immer arbeiten kann, ist eine Gnade, wer immer der Gnadengeber ist", sagt der 87-jährige Künstler. "Nichts ist am Anfang und Ende unseres Lebens. Aber das Ende ist nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang." (Andrea Schurian, 6.9.2016)