Natscha Germane bereitet geflüchtete Frauen in ihrer Muttersprache Farsi auf den heimischen Arbeitsmarkt vor. Das erfordere Druck, aber auch Spaß.

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Der Kompetenzcheck richtet sich an Migrantinnen ab 18 Jahren mit Muttersprache Farsi oder Arabisch, die bereits einen Deutschkurs absolviert und Interesse an der Erfassung ihrer beruflichen Kompetenzen und der Entwicklung einer beruflichen Perspektive haben. Themen des Kurses sind unter anderem der österreichische Arbeitsmarkt und das Bildungssystem, die österreichische Gesellschaft und Kultur und Bewerbungstraining und Jobsuche. Das Projekt wird aus den Mitteln des ams Wien gefördert.

Der Raum ist von Gelächter erfüllt. Soeben erklärt eine Teilnehmerin des Kompetenzchecks für geflüchtete Frauen, weshalb es keine gute Idee sei, allzu viele Kinder zu bekommen. "Da wird ja dann auch alles schwabbelig", übersetzt Trainerin Natascha Germane von Farsi auf Deutsch. Auch sie freut sich: "Manche Frauen hier haben anfangs nie gelacht. Die mussten das erst wieder lernen", sagt sie, während die zwölf Frauen an einer neuen Gruppenaufgabe arbeiten. In wenigen Minuten sollen sie vor den anderen über Kompetenzen abseits des Beruflichen sprechen: mentale Stärke, Gesundheit oder eine positive Einstellung. Die Teilnehmerinnen sollen im Laufe des Kompetenzchecks oft präsentieren und ein sicheres Auftreten lernen. "Wir wiederholen viele Dinge spielerisch. Laut sprechen, sich vorstellen, Blickkontakt. Ein bisschen unter Druck setzen gehört auch fast immer dazu", sagt die Trainerin.

Unterschiedlichste Hintergründe

Insgesamt dauert der Kompetenzcheck sieben Wochen, in denen die Frauen dreimal in die Räumlichkeiten des abz Austria kommen, das den Kurs anbietet. Eingeteilt werden die Gruppen nach Sprachen – Farsi oder Arabisch. Die zwölf Frauen, die sich gerade auf ihre Präsentation vorbereiten, sprechen Ersteres. Das ist allerdings die einzige Gemeinsamkeit: Sie kommen aus Afghanistan und dem Iran, manche von ihnen haben studiert, andere können weder schreiben noch lesen. Laut Germane nicht die größte Herausforderung, sondern eine Chance, damit alle dazulernen.

Wie bei der aktuellen Aufgabe: Eine Teilnehmerin will wissen, ob sie allein präsentieren darf. Nein, antwortet Germane, alle sollen etwas zum selbstgemalten Plakat sagen. Kurze Enttäuschung. Die Gruppe überlegt sich eine Strategie, damit jene, die nicht lesen können, dennoch über das Plakat vortragen können: Sie malen Symbole als Eselsbrücken neben die Wörter auf Deutsch und Farsi. Die Dame, die allein präsentieren wollte, war in Afghanistan Anwältin und dort schon eine Powerfrau. Für sie sei es wichtig zu lernen, andere einzubeziehen, sagt Germane.

Die Frauen nicht vergessen

Auch andere Teilnehmerinnen haben in ihren Heimatländern gute Jobs gehabt: eine ehemalige Lehrerin sitzt hier, gleich daneben eine Wirtschaftsstudentin und eine Englisch-Übersetzerin, eine Architektin hat den Kurs bereits hinter sich. "Wenn die Frauen hier ankommen und merken, dass sie nur Absagen bekommen oder gar keine Angebote da sind – natürlich geht da der Selbstwert in den Keller", sagt Germane.

Abz-Geschäftsführerin Manuela Vollmann ist heute auch beim Kurs dabei. "Es ist wesentlich, dass wir nicht nur den syrischen jungen Männern helfen, sondern dass wir auch den Frauen eine Stimme geben", sagt Vollmann. Sie möchte vermeiden, dass geflüchtete Frauen sich in die Wohnung zurückziehen, wie es in der Vergangenheit wohl auch immer wieder der Fall gewesen sei. Bisher haben in den Pilotprojekten von abz Austria etwa 320 Frauen mit Muttersprache Farsi den Kompetenzcheck absolviert. Beim laufenden Projekt, bei dem auch arabischsprechende Frauen dabei sind, sollen es bis Mai 2017 rund 1800 sein.

Ob aus dem Südburgenland oder Syrien

Wichtig sei, dass die Frauen ein Gefühl für den heimischen Arbeitsmarkt und die gesellschaftlichen Möglichkeiten bekommen, aber auch, dass gleich geprüft wird, wo ihre Kompetenzen eingesetzt werden könnten. Ja, dafür brauche es getrennte Angebote, das wisse man aus Erfahrung. Diese würden frauenspezifische Lebenswelten und Erfahrungen berücksichtigen und eine konstruktive Auseinandersetzung ermöglichen. "Das getrennte Angebot tut aber der südburgenländischen Frau genauso gut wie der syrischen." Vollmann ist stets in Kontakt mit Unternehmen, in denen die Frauen Arbeitstrainings oder Arbeitserprobungen absolvieren könnten. Melden würden sich aber zu wenige. "Viele haben Angst vor zu viel Bürokratie", Vorbilder könnten hier die Ängste nehmen, schlägt sie vor.

Selbstvertrauen und Wille

Die unterschiedlichen Teams präsentieren mittlerweile. "Es ist wichtig, positiv zu denken, auch wenn es Rückschläge gibt", sagt eine Teilnehmerin im Rollstuhl. "Woran erkennt das Gegenüber, dass du eine positive Einstellung hast?", will Germane wissen. "Augenkontakt", ruft jemand, "ein freundliches Gesicht", eine andere. Die Frauen sind zuversichtlich, was die Zeit nach dem Kurs angeht. "Hier habe ich mein Selbstbewusstsein wiedergefunden", sagt die ehemalige Anwältin. "Im Iran sind wir es nicht gewöhnt, einen Lebenslauf zu schreiben, das geht alles über Kontakte", sagt ihre Sitznachbarin. Sie freue sich, bald die ersten zu schreiben. "Auch wenn einige von uns keine Ausbildung haben, wir haben den Willen zu lernen." (Lara Hagen, 14.9.2016)