In welche Richtung jemand beruflich gehen wird, ist wesentlich von Rollenbildern beeinflusst. Die Grundsteine für Karriereverläufe werden bereits in der Kindheit gelegt.

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Auf dem Berufsweg ist Abbiegen jederzeit möglich – und in welche Richtung jemand geht, ist wiederum ganz wesentlich von Rollenbildern beeinflusst, sagt Marita Haas. Die Wissenschafterin erforscht an der Technischen Universität Wien Karriereverläufe von Frauen in unterschiedlichen Berufsfeldern. Aktuell beschäftigt sie sich damit, wie Jugendliche Berufsentscheidungen treffen und wie man sie dabei unterstützen kann, auch in Alternativen zu denken.

Heutzutage, sagt Haas, stünden Jugendliche stark unter Druck, einen möglichst passenden und erfolgverheißenden Beruf zu ergreifen. Deshalb entscheiden sich Mädchen häufig für klassische Frauenberufe und Männer sich für klassiche Männerberufe – unkonventionelle Berufswege werden hingegen seltener in Erwägung gezogen. Die Phase des Erwachsenwerdens entscheide also ganz wesentlich darüber, wie es später weitergeht, so die Forscherin.

Schon früh in eine Richtung

Die Grundsteine für spätere Karrierewege werden jedoch bereits in der Kindheit gelegt, sagt Haas. In Schule und Kindergarten werden Mädchen nachweislich in anderen Bereichen gefördert als Burschen. Eine Studie der Universität Göttingen zeigt etwa, dass sowohl Eltern als auch Kindergartenpädagogen und -pädagoginnen mit Mädchen und Burschen jeweils ganz anders umgehen. Geprägt von Vorstellungen, wie ein Bub oder ein Mädchen zu sein hat, wie sie sich jeweils zu verhalten haben – und was sie jeweils können und brauchen. "Burschen, so die Annahme, sind laut und wild und benötigen Bewegung. Obwohl Mädchen heute genauso offen, wild und laut sein dürfen, bekommen sie gleichzeitig rückgemeldet, dass sie kooperativ und kreativ sein sollen." Worin sie gefördert werden, darin entwickelten sich Kinder auch weiter. In der Schule setzt sich dieses Muster fort, sagt Haas: "Buben werden dort nach wie vor stärker in Mathe unterstützt und Mädchen eher in Sprachen."

Unabhängig davon, welche Talente sie tatsächlich mitbringen, präge das die Jugendlichen und ihr Selbstverständnis – und das in einer wichtigen Entwicklungsphase. "Mädchen entscheiden dann, ob sie den klassischen Weg gehen und eine Ausbildung im Bereich Pflege, Erziehung oder Gesundheit beginnen – oder doch nach Alternativen suchen", sagt Haas. "In den Biografien jener Mädchen oder Frauen, die eine Techniklaufbahn eingeschlagen haben, finden sich immer Personen, die sie dazu ermutigt haben."

Genau diese Vorbilder gelte es Jugendlichen – Burschen wie Mädchen – bei Berufsentscheidungen nach der Schule an die Seite zu stellen. "So sehen sie überhaupt erst, welche zahlreichen Möglichkeiten sie haben."

Eigene Vorurteile erkennen

Davor schützen, dass Stereotype Karriereverläufe bestimmen, müsse man Frauen aber auch an ihren weiteren beruflichen Stationen: an der Hochschule und in den Unternehmen. Auch hier werden Frausein und gewisse Aspekte in Frauenbiografien schnell zu Nachteilen – Normen orientieren sich an der (männlichen) Mehrheit. Haas nennt als Beispiel das Technikstudium: "Frauen sind dort meist wenige, das heißt, sie fallen auf und stehen unter Beobachtung. Oft fehlt ihnen auch das spezifische Vorwissen, im Gegensatz zu den Männern, die von einer HTL kommen. Schließlich wird ihnen als Frauen weniger zugetraut."

Ebenso im Job: "Obwohl sich viele Unternehmen mittlerweile ganz bewusst mit Gender-Aspekten auseinandersetzen und sich ganz explizit um diversere Teams bemühen und darum, niemanden zu diskriminieren: Bilder im Kopf entstehen ganz automatisch", sagt Haas. Eine Frau werde im Vorstellungsgespräch zum Beispiel eher nach privaten Verpflichtungen gefragt – gibt sie solche preis, frage sich ein Recruiter unweigerlich: Wie organisiert sie das? Wer kümmert sich um das Kind?

Noch wichtiger als Frauenförderungsmaßnahmen sei daher permanentes Reflektieren "darüber, wie sehr das Thema Geschlecht unser eigenes Verhalten bestimmt", sagt Haas. "Wenn jemand zum Beispiel einen Raum betritt, nimmt man zuallererst wahr, ob es ein Mann oder eine Frau ist" – und ordnet ihn oder sie ein. "Zu erkennen, dass wir bereits in diesem Moment darüber urteilen, was jemand kann oder nicht, wofür er oder sie steht und wie er oder sie in einer bestimmten Situation wohl handeln wird, ist ein großer Fortschritt." (Lisa Breit, 15.9.2016)