Die 380-kV-Leitung durch Salzburg ist wieder Stein des Anstoßes. Die Gegner vermuten Vorteile für den Betreiber der Freileitung bei der Novelle des Naturschutzgesetzes.

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Salzburg – Die Debatte um das 113 Kilometer lange Teilstück der 380-kV-Leitung durch Salzburg nimmt kein Ende. Freileitungsgegner und Naturschützer befürchten nun, das Land wolle mit einer Novelle des Naturschutzgesetzes in das Verfahren eingreifen.

Ihr Vorwurf: Mit der Gesetzesänderung werde ein Passus eingeführt, der es bei Großprojekten erlaube, dass Konzerne Eingriffe in die Salzburger Landschaft durch Geld erkaufen könnten. Bisher konnten bei Projekten mit öffentlichem Interesse, die in die Natur oder die Landschaft eingreifen, Projektbetreiber nur Ersatzmaßnahmen für den Naturschutz leisten. Künftig sollen auch Ausgleichzahlungen möglich sein.

Die Bürgermeister Johann Strasser (Eugendorf) und Rupert Reischl (Koppl, beide ÖVP) sowie der Salzburger Landesumweltanwalt Wolfgang Wiener wollen diese Änderung verhindern. "Das heißt, dass man Landschaftszerstörung kaufen kann", ärgert sich der Rechtsanwalt der Bürgermeister, Adolf Concin.

Vom Naturschutz freikaufen

Was den Gegnern besonders sauer aufstößt: Der Passus soll auch für laufende Verfahren gültig sein. Sie befürchten, dass sich der Betreiber Austrian Power Grid (APG) beim Bau der Leitung vom Naturschutz freikaufen könnte, und bezeichnen die geplante Novelle als "Lex APG".

Die Bürgermeister haben sich per Brief an alle Landtagsabgeordnete gewandt, der geplanten Gesetzesnovelle nicht zuzustimmen. Beim Mediengespräch der Gegner am Donnerstag waren aber keine politischen Funktionäre erwünscht: Dem Klubvorsitzenden der Grünen, Cyriak Schwaighofer, wurde die Teilnahme verwehrt.

Aus dem Büro der zuständigen Umweltlandesrätin Astrid Rössler (Grüne) heißt es, die Novelle des Naturschutzgesetzes habe nichts mit der 380-kV-Leitung zu tun. In der ersten Instanz seien bereits konkrete Ausgleichsmaßnahmen im Naturschutz für das Projekt festgelegt worden. Die APG müsse etwa für die Renaturierung der Weitwörther Au und des Ursprunger Moors sowie für das Naturwaldreservat Tauglboden aufkommen.

"Das Bild vom Freikaufen ist Unsinn"

Dass zukünftig auch Geldleistungen als Ausgleich erbracht werden können, begründet Rösslers Sprecher damit, dass so auch größere Naturschutzprojekte ermöglicht werden. "Das ist kein Bezahlgeschäft. Das Bild vom Freikaufen ist Unsinn", betont der Sprecher. Bisher seien bei kleinen Eingriffen, kleinste Maßnahmen wie etwa eine Hinweistafel vorgeschrieben worden. Nun könnten die Gelder, die im Naturschutzfonds zweckgebunden sind, gebündelt auch für größere Ersatzmaßnahmen verwendet werden.

Die Umweltverträglichkeitsprüfung der 380-kV-Stromleitung ist in erster Instanz bereits abgeschlossen. Die ehemalige Freileitungsgegnerin Rössler hat im Dezember 2015 als für den Naturschutz zuständiges Regierungsmitglied einen positiven UVP-Bescheid erlassen und den Bau genehmigt. Die Leitungsgegner haben sich damit nicht abgefunden und Beschwerde gegen den Bescheid beim Bundesverwaltungsgerichtshof eingereicht, wo derzeit der Akt liegt.

Gutachten veröffentlicht

Unter Druck steht Rössler aber auch wegen eines nicht im Akt befindlichen Gutachtens. Wie berichtet wurde von Rössler wegen angeblicher Unvereinbarkeiten ausgerechnet jener Gutachter nicht zum UVP-Verfahren zugelassen, der negative Auswirkungen auf den Tourismus bescheinigt hatte. Der Experte klagte und bekam vor Gericht Recht. Sein Gutachten ist freilich noch immer nicht im Akt beim Bundesverwaltungsgerichtshof, bestätigte Rösslers Sprecher auf Anfrage des Standard. Das Gutachten ist am Donnerstag zumindest als Umweltinformation veröffentlicht und online gestellt worden. "Damit steht es jeder Verfahrenspartei offen, das Gutachten im Verfahren einzubringen", sagte der Sprecher.

Wie lange die Prüfung des Verfahrens beim Verwaltungsgerichtshof dauert, ist unklar. Das Land als Erstinstanz wurde noch nicht zur Stellungnahme gebeten. (Stefanie Ruep, Thomas Neuhold, 9.9.2016)