Lukaschenko regiert in Minsk seit 22 Jahren.

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Minsk – In der Hoffnung auf eine stärkere Zusammenarbeit mit dem Westen hat das autoritäre Weißrussland über ein neues Parlament abgestimmt. Die Ex-Sowjetrepublik habe viel bewegt, damit westliche Sanktionen aufgehoben werden, sagte Machthaber Alexander Lukaschenko bei der Stimmabgabe am Sonntag in einem Minsker Wahllokal.

"Wir wollen nicht mit Sanktionen leben", betonte der 62-Jährige. "Wir haben alles getan, damit es weniger Vorwürfe gegen uns gibt, aber wenn übermäßige (Forderungen) erhoben werden, sprechen wir darüber."

Experten erwarten wie in den vergangenen Legislaturperioden, dass sich von den rund 480 Bewerbern vor allem regimetreue Politiker durchsetzen. An vielen Wahllokalen in der Zweimillionenstadt Minsk spielten am Wahltag Bands bei sonnig-warmem Herbstwetter auf. Verkaufsstände mit Lebensmitteln waren aufgebaut. Die Beteiligung lag am Nachmittag bei mehr als 40 Prozent. Damit die Abstimmung gültig ist, müssen 50 Prozent der sieben Millionen Berechtigten teilnehmen.

Lukaschenko hofft angesichts einer tiefen Wirtschaftskrise, mit einer friedlichen Wahl nach demokratischen Standards die Beziehungen zum Westen zu stärken. Er setzt auf frische Kredite und Investitionen. Die EU hatte nach der friedlichen Präsidentenwahl 2015 und der Freilassung politischer Häftlinge Sanktionen gegen die Führung in Minsk gelockert. Die Strafmaßnahmen waren nach dem rabiaten Vorgehen gegen Opposition und Demonstranten 2010 verhängt worden.

Bald wolle er auch mit den USA über die gegenseitige Entsendung von Botschaftern verhandeln, kündigte Lukaschenko der Staatsagentur Belta zufolge an. Das enge Verhältnis zum "Bruderstaat" Russland solle unter der Annäherung an den Westen nicht leiden, betonte er.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisiert immer wieder Defizite bei Wahlen in Weißrussland. Zwar sind nach OSZE-Angaben einige ihrer Vorschläge umgesetzt worden und auch die Opposition räumt ein, dass die Behörden ihren harten Griff etwas gelockert hätten. Erstmals sei die Teilnahme an Diskussionen im Fernsehen erlaubt worden. Aber es gibt auch Rückschritte.

Die Arbeit eines wichtigen Meinungsforschungsinstituts ist blockiert. Regimegegner verweisen auf die fünftägige vorzeitige Stimmabgabe, bei der die Beteiligung der Wahlleitung zufolge bei 31 Prozent lag. Diese Stimmen seien nicht unabhängig zu kontrollieren, sagen Kritiker.

Die Opposition ist zersplittert und klagt über Einschränkungen durch die Behörden. Nur einzelnen regimekritischen Kandidaten wie der früheren Präsidentschaftskandidatin Tatjana Korotkewitsch werden Chancen eingeräumt. Lukaschenko kritisierte bei der Stimmabgabe, die Opposition vertrete nicht die Interessen der Menschen. "Sie ist zu weit weg vom Volk und will sich nicht annähern", behauptete er.

Im OSZE-Bericht zum Wahlkampf heißt es: "Die Kampagne ist weitgehend unsichtbar, und die wenigen Veranstaltungen sind kaum besucht." Der Grund sei ganz einfach, meint stellvertretend für viele die Kindergärtnerin Magda. "Die Regierungskandidaten haben den Sieg schon in der Tasche und Wahlkampf nicht nötig. Und ihre Konkurrenten machen sich keine Illusionen."

Lukaschenko regiert in Minsk seit 22 Jahren. Er gilt als "letzter Diktator Europas" und pflegt engen Kontakt zu Russland. Weißrussland vollstreckt als einziges Land in Europa noch die Todesstrafe. (APA, 11.9.2016)