Österreichische Grillkohle kommt mitunter aus Siebenbürgen und wird von den dortigen Köhlern traditionell hergestellt.

Foto: Sascha Montag

Blauer Rauch heißt zu viel Sauerstoff, schneeweiß muss der Qualm sein.

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Lajos Bálint ist nicht der Typ, der sich so leicht aus der Ruhe bringen lässt. Doch wenn bläulicher Rauch aus einem seiner Kohlemeiler aufsteigt, setzt sich der 62-Jährige mit dem mächtigen Bauch überraschend flott in Bewegung, ergreift einen Spaten, trottet in Gummistiefeln hinüber zu dem haushohen Erdhaufen und schippt ein wenig Erde auf die Stelle, wo es bläulich qualmt. Leck: geschlossen, Qualm: wieder schneeweiß. "Blauer Rauch heißt zu viel Sauerstoff", sagt Bálint. "Dann kann der Meiler in Flammen aufgehen." Die Arbeit von Wochen wäre dahin.

Lupeni, Kreis Harghita, im Herzen Rumäniens. Heimatdorf der Köhler. Seit mehr als 500 Jahren machen die Menschen hier, am Fuß der Karpaten, Holz zu Holzkohle. Vor 50 Jahren noch wuchsen die Meiler an jeder Ecke aus dem Boden wie riesige Maulwurfshügel. Heute liegen die wenigen verbliebenen etwas versteckt auf Wiesen und Lichtungen rund ums Dorf.

Doch in den vergangenen Jahren sind es wieder mehr geworden. Rumäniens Wirtschaft wächst im Rekordtempo, doch davon profitiert längst nicht jeder, schon gar nicht hier in Siebenbürgen. Aus Mangel an Perspektiven machen die Menschen sich wieder als Köhler selbstständig – wie früher.

Lajos Bálint (62), seine Frau Margit (67) und ihr Kumpel Gáspár Miklós (63) zum Beispiel. Von Februar bis Dezember ziehen die drei raus aus ihrem Heimatdorf Lupeni auf eine große Wiese am Waldrand. Das Ehepaar Bálint lebt dort in einer windschiefen Holzhütte, Gáspár Miklós nebenan in einem alten Bauwagen. Strom gibt es nicht. In den kalten Monaten spenden Holzöfen Wärme. Wasser holt Lajos Bálint mit einem rostigen Traktor mit Tankwagen aus einem Weiher.

Zu dritt machen sie Kohle mithilfe einer uralten Technik: Sie schichten Holz zu haushohen Bergen auf, die sie mit Stroh und Erde bedecken. Anschließend schieben sie eine lange Fackel durch einen schmalen Zündschacht in seine Mitte. Ein Feuer lodert auf und erstickt bald wieder, doch für einen schleichenden Schwelbrand reicht der Sauerstoff unter der Erdglocke gerade so aus. Und so bahnt sich die Glut ihren Weg langsam durch sein Inneres.

Je nach Meiler kann es bis zu zwei Wochen dauern, bis das gesamte Holz verkohlt ist. Zeit, sich um die Tiere zu kümmern: drei Hunde, fünf Kühe, fünf Kälber, 20 Hühner, 19 Enten und acht Perlhühner. Ein kleiner schmutziger Garten Eden.

Letzte Verdienstmöglichkeit

Das Kerngeschäft der drei aber bleibt die Köhlerei. Wenn ein Meiler verkohlt ist, greifen sie zu den Mistgabeln, schaufeln die Holzkohle in große Eisenbehälter und schließen den Deckel. Die Glut erstickt, die Kohle kühlt ab. Der Betreiber eines kleinen Sägewerks im Ort liefert ihnen das Holz und kauft ihnen die Kohle ab – für umgerechnet 3,4 Cent pro Kilo. Auf diese Weise können im Monat pro Person rund 250 Euro zusammenkommen. Das ist mehr als ein Fabrikarbeiter in Rumänien verdient.

"Das ist unsere letzte Möglichkeit", ein wenig Geld zu verdienen, sagt Lajos Bálint, der unter Ceausescu als Maschinist für einen Staatsbetrieb arbeitete. Mit der Wende verloren Lajos und Margit, eine ehemalige Landarbeiterin, ihre Jobs – und wurden Köhler. "In ein paar Jahren bekommen wir unsere Rente, aber das werden nur ein paar Hundert Euro sein."

Bereits im fünften Jahrtausend vor Christus nutzten die Menschen die Kraft der Kohle. Die hohen Temperaturen ihrer Glut machten es möglich, Kupfererz zu schmelzen. So wurde Kohle zum wichtigsten Energieträger, zum Treibstoff für den Fortschritt. Die Menschheitsgeschichte wäre anders verlaufen, gäbe es keine Kohle.

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Heute ist es vor allem die Industrie, die Holzkohle benötigt. Für die Produktion von Stahl oder Silicium, aber auch für Filteranlagen. Die Mengen, die hier angefragt sind, kann die klassische Meilerproduktion jedoch nicht bedienen. Große Kohlefabriken springen ein. Was die Köhler von Lupeni produzieren, wird im benachbarten Sägewerk in Fünf-Kilo-Säcke gefüllt und auf Lastwagen verladen. Kilopreis in Österreich: rund 1,50 Euro.

Es ist Abend geworden in Lupeni. Lajos Bálint hat die Kühe gemolken, Gáspár Miklós hat das Federvieh in die Ställe gesperrt und ein paar Eier aus dem Heu im Kuhstall gefischt. Margit Bálint rührt derweil in einem Topf: Im Sud schwimmt einer der Hähne, die am Morgen noch gekräht haben.

Als sie später am Tisch sitzen, die Gesichter noch immer schwarz vom Ruß, die Hände aber sauber, gießt Lajos seinem Kumpel Gáspár ein Glas Schnaps ein. Lajos selbst trinkt keinen Alkohol mehr, es war mal wohl zu viel gewesen, früher. Er liebt es aber, ein Glas vollzumachen. Margit sitzt daneben und schmunzelt. Die perfekte Entspannung nach dem Kohlemachen. (Mathias Becker, 18.9.2016)