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Viktor Orbán lässt die ungarische Bevölkerung am 2. Oktober über EU-Flüchtlingsquoten abstimmen.

Foto: Reuters / Leonhard Foeger

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat manchmal verblüffend einfache Lösungen parat, vor allem, wenn es um die Flüchtlingsfrage geht. "Was ist mein Vorschlag?", fragte er sich gleich selbst in einem als Interview angelegten Text, den das Nachrichtenportal "Origo" am Donnerstag veröffentlichte. Die Antwort: "Alle, die illegal gekommen sind, muss man einsammeln und wegbringen – aber nicht in andere EU-Länder, sondern in Gebiete außerhalb der EU."

Es ist davon auszugehen, dass Orbán den Teilnehmern des Wiener Flüchtlingsgipfels am Samstag mit seiner Idee der Massenabschiebung von Asylsuchenden in den Ohren liegen wird. Er ließ in seinen letzten Äußerungen keine Zweifel offen: Die Abgeschobenen sind zu internieren. "Außerhalb der EU sind, bewacht von bewaffneten EU-Streitkräften und finanziert mit EU-Geld, große Flüchtlingslager zu errichten. Jeder, der illegal gekommen ist, muss dorthin zurück. Dort kann er seinen Asylantrag stellen, und wenn es ein Land gibt, das ihn aufnimmt, kann er kommen. Bis dahin muss er sich in diesem großen Lager außerhalb der EU aufhalten. Das kann eine Insel sein oder irgendein Küstenabschnitt in Nordafrika."

Abschieben und internieren

Der Plan ähnelt einem Vorschlag des österreichischen Außenministers Sebastian Kurz (ÖVP) und anderer europäischer Politiker. Auch die ungarische Regierung hatte im April einen Aktionsplan vorgelegt, der "geschützte Hotspots" außerhalb der EU und die – auf Vereinbarungen mit den betreffenden Ländern beruhende – Rückführung von Flüchtlingen in sogenannte sichere Dritt- und Herkunftsstaaten vorsah. In seinem Interview am Donnerstag ging Orbán aber weiter. Wortwahl und Diktion legen nahe, dass er den größeren Teil der im Vorjahr angekommenen Asylsuchenden – mehr als eine Million Menschen – abschieben und internieren lassen will.

Ungarns Premier weiß natürlich, dass dies vor dem Hintergrund des europäischen Asylrechts ein Ding der Unmöglichkeit ist. Doch am 2. Oktober findet in Ungarn eine Volksabstimmung statt. Es geht um die Frage, ob die EU die "verpflichtende Ansiedlung" von Schutzsuchenden in Ungarn verfügen darf.

Damit das Referendum gültig ist, muss mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten eine gültige Stimme abgeben. Für Orbáns an sich geölte Kampagnenmaschinerie ist das eine beträchtliche Herausforderung. Insofern ist die verschärfte Rhetorik nur logisch.

Offene Drohungen

Ohnehin macht die Orbán-Regierung seit eineinhalb Jahren Stimmung gegen Flüchtlinge. Dabei kommen seit der Schließung der Balkanroute kaum mehr Flüchtlinge ins Land. Vor dem Referendum schreckt die Regierung nicht einmal vor offenen Drohungen zurück. Gemeinden wird etwa gesagt, dass man Flüchtlinge zu ihnen schicken werde, wenn sie kein vorzeigbares Abstimmungsergebnis vorweisen.

Orbán bezweckt wiederum, mit dem Referendum Druck auf Brüssel auszuüben. Er hofft – wie er neulich auf einer Veranstaltung für den intellektuellen Vorhof seiner Fidesz-Partei darlegte – auf eine Kettenreaktion in Europa. Mit dem Ergebnis, dass seine Politik auch im Westen zum Mainstream wird und Moderate sowie Pro-Europäer von der Macht verdrängt werden. (Gregor Mayer aus Budapest, 22.9.2016)