Auch wenn die See rau scheint, richtig gebeutelt werden Steueroasen immer noch nicht. Das Verstecken von Vermögen in Offshore-Zentren wächst weiter.

Foto: Lynne Sladky

STANDARD: Nach Panama sind die Bahamas Papers nun die nächste Bombe, die hochgeht, oder wird da etwas in einem hochsensiblen Umfeld hochgespielt?

Meinzer: Es handelt sich um ein durchaus bedeutendes Leak, wenn es auch im Vergleich zu den Panama Papers kleiner ist. Wenn wir uns vor Augen führen, dass darin allein über 100 Deutsche geführt werden, wird ersichtlich, dass das keine Peanuts sind. Was die Bahamas betrifft, gibt es weltweit nur wenige Steueroasen, in denen sich Geld noch besser verstecken lässt.

STANDARD: Die Oase lebt. Wieso stirbt sie nicht aus?

Meinzer: Da gibt es einen gigantischen Interessenkonflikt im Herzen der OECD, jener Organisation, die gegen Steueroasen vorzugehen vorgibt, sind doch wichtige Steueroasen Mitgliedstaaten wie etwa Luxemburg oder die Schweiz. Keine Krähe hackt der anderen ein Auge aus. Man erzeugt Standards und Prinzipien, die eine Koexistenz, ein weitgehendes Business as usual zumindest nicht ausschließen. Es bedarf öffentlicher Transparenz. Ein behördlicher Informationsaustausch ausschließlich hinter geschlossenen Türen kann nicht mehr ausreichend sein.

STANDARD: Wie viel Geld vagabundiert Ihrer Einschätzung nach in Steueroasen herum?

Meinzer: Wir vom Tax Justice Network gehen davon aus, dass 21 bis 32 Billionen US-Dollar offshore und grenzüberschreitend jenseits von Zugriffen von Steuerbehörden angelegt sind. Tendenz steigend.

STANDARD: Welche sind die beliebtesten Steueroasen?

Meinzer: Hier muss man unterscheiden: einerseits danach, wie stark die Geheimhaltungsgesetze sind und andererseits nach dem, wie viel Geld tatsächlich fließt und von dort verwaltet wird. Im globalen Maßstab führt die Schweiz unseren Schattenfinanzindex an. Dann folgt Großbritannien, wenn man die Gesamtheit der von ihm abhängigen Gebiete hinzurechnet. Das Land kontrolliert ja ein Satellitennetzwerk von karibischen Oasen. Ein dritter wichtiger internationaler Pool sind die USA. Den Staaten ist es bislang gelungen, sich von den robusteren Vorstößen seitens der EU, die eine Öffentlichkeit von bestimmten Daten erforderlich macht, abzugrenzen und ihr eigenes Süppchen zu kochen. Die USA stellen geopolitisch und international die größte Bedrohung für Fortschritte gegen Steueroasen dar, weil sie sich selbst nicht nur als eine wichtige Steueroase positioniert haben, sondern diese noch weiter ausbauen.

STANDARD: Wie viele Steueroasen buhlen weltweit um Steuerabtrünnige?

Meinzer: Eine einheitliche Definition von Steueroase gibt es nicht und kann es nicht geben. Der Begriff ist irreführend. Wir benutzen lieber den Begriff des "Schattenfinanzplatzes" oder der "Verdunkelungsoase". Das Entscheidende, was an diesen Plätzen geschieht, ist die Geheimhaltung und nicht die steuerliche Sonderbehandlung. Jeder Staat hat Merkmale eines Schattenfinanzplatzes, und man kann deshalb nicht schwarz-weiß sagen, welcher ein Schattenfinanzplatz ist – wir nutzen im Schattenfinanzindex ein Geheimhaltungsspektrum, das unterschiedliche Intensitäten der Geheimniskrämerei unterscheidet.

STANDARD: Welche Ansätze gibt es derzeit, um diese Sümpfe trockenzulegen?

Meinzer: Es gibt Lösungsansätze, die erfolgversprechend sind, zumindest auf der internationalen Agenda der G20 und auch teilweise auf der Ebene der Europäischen Union. Diese rufen aber inzwischen mächtige Lobbys auf den Plan. So tobt etwa gerade in der EU der Kampf um die öffentlichen Firmen und Trusts und Treuhandregister. Bei Letzterem spielen etwa Deutschland und Österreich eine wenig konstruktive Rolle, denn man will diese von den neuen Veröffentlichungspflichten ausnehmen. So kämpft also jedes Land um seine eigenen Privilegien. Die Hoffnung besteht aber, dass sich auf mittelfristige Sicht die Erkenntnis durchsetzen wird, dass Daten solcher Strukturen wie Firmen, Trusts und Stiftungen ans Licht der Öffentlichkeit gehören. Dasselbe gilt für Konzernbilanzen, die, nach Ländern aufgeschlüsselt, geöffnet werden müssen.

STANDARD: Die nächsten "Papers" kommen bestimmt?

Meinzer: Auch wenn es derzeit keine konkreten Anhaltspunkte gibt, kann man das natürlich nicht ausschließen. Aber allein die Tatsache, dass es zum Beispiel in vielen Staaten noch keine weitgehenden Hinweisgeberschutzgesetze gibt, macht neue Enthüllungen sehr wahrscheinlich. (Sigrid Schamall, 23.9.2016)