Wien – Gegen einen 29-jährigen Häftling, der auf der Flucht vor der Exekutive am späten Donnerstagnachmittag einen 52-jährigen Polizisten in Wien-Floridsdorf mit einem Motorrad lebensgefährlich verletzt hat, wird wegen Mordversuchs ermittelt. Der Beamte befand sich am Freitag weiterhin in Lebensgefahr.

Der Verdächtige befand sich am Freitag ebenfalls noch im Spital, er konnte von den Polizisten aber bereits befragt werden. "Er hat angegeben, davongefahren zu sein, weil er keinen Führerschein hat", sagte Polizeisprecher Roman Hahslinger. Auch hatte der Mann ausgesagt, dass er den Polizisten nicht absichtlich niederfahren wollte. "Er sagte, er hätte nur einen schwarzen Mann gesehen, der sich ihm in den Weg gestellt hat und dass er ausweichen wollte", schilderte Hahslinger. Eine ausführliche Einvernahme mit dem 29-Jährigen, von dem zuerst angenommen wurde, er sei erst 16 Jahre alt, weil er mit dem Ausweis seines jüngeren Bruders unterwegs war, war noch ausständig.

Maschine nicht zugelassen

Die Maschine war für den Verkehr offiziell nicht zugelassen. Sie wies nur einen beschrifteten Pappendeckel als Kennzeichen auf. Das Motorrad gehörte einem Verwandten des 29-Jährigen. "Es gibt keinen Verdacht auf einen Diebstahl", sagte Hahslinger.

Begonnen hatte die Amtshandlung kurz nach 17.30 Uhr in der Jedleseer Straße. Der Motorradfahrer war mit der Maschine des Typs Yamaha RN12 – etwa 175 PS bei 172 Kilogramm Gewicht stark – zunächst der Besatzung des Streifenwagens "Ulrich 2" aufgefallen. Die Polizisten versuchten, ihn anzuhalten, aber der junge Mann brauste davon. Die Beamten nahmen die Verfolgung auf und forderten über Funk Verstärkung an. Die Jagd ging über die Prager Straße bis nach Strebersdorf, wo der 52-jährige Polizist in der Nähe der Lehranstalt der Schulbrüder zur Schulwegsicherung eingeteilt war.

Schwere Kopfverletzungen

Über Funk hörte der Beamte von der Fahndung nach dem Lenker. Er versuchte, den Biker in der Rußbergstraße an der Ecke Strebersdorfer Straße anzuhalten, und stellte sich dazu auf die Fahrbahn. Der 29-Jährige stieß ihn nieder, kam dabei aber auch selbst zu Sturz. Mit schweren Kopfverletzungen wurde der Polizist vom Rettungshubschrauber Christophorus 9 abtransportiert.

Häftling im gelockerten Vollzug

In der Nacht stellte sich heraus, dass es sich bei dem Motorradfahrer um einen 29-jährigen Häftling der Justizanstalt (JA) Hirtenberg im gelockerten Vollzug handelte. "Wir wurden während der Nachtstunden von der Justizanstalt Josefstadt informiert, dass ein Insasse von uns bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wurde", sagte Brigadier Alfred Steinacher, Leiter der JA Hirtenberg. Demnach sitzt der 29-Jährige seit 2012 ein. "Er ist 1987 geboren, sieht aber sehr jugendlich aus."

Insgesamt hatte der Motorradlenker rund sechs Jahre Haft zu verbüßen. Es geht um Verurteilungen wegen Betrugs, Diebstahls sowie nach dem Suchtmittelgesetz wegen Drogenkonsums. Gewalttaten befanden sich nicht darunter. "Er gilt nicht als Risikotäter", sagte Steinacher. Weil er sich relativ gut geführt habe, wurde der Strafvollzug für den 29-Jährigen, der in der JA eine Tischlerlehre absolviert hatte, gelockert.

Auch am Donnerstag hatte der 29-Jährige Ausgang. "Von 22.9., 10.00 Uhr bis zum 23.9., 10.00 Uhr, da sollte er wieder bei uns sein", präzisierte Steinacher. Der Brigadier betonte auch, dass der 29-Jährige aufgrund seiner aktenkundigen Drogengeschichte bei den Ausgängen immer via Harntests kontrolliert wurde. Suchtgiftspuren hatten sich dabei nicht gefunden.

Polizist weiter in Lebensgefahr

Der 52-jährige Polizist befand sich nach einer Notoperation am Freitag weiter in Lebensgefahr, war aber in stabilem Zustand, teilte die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) mit. Demnach hatte er schwere Verletzungen am Kopf, im Brustbereich sowie an den Extremitäten erlitten. Dem Häftling ging es nach Angaben des Krankenanstaltenverbundes (KAV) am Tag nach dem Unfall schon besser. (red, APA, 23.9.2016)