Harte Arbeit, wenig Geld.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien/Eisenstadt – Ilona* trägt eine schwarze Bandage unter dem linken Ellbogen. Sie kämpft mit einem sogenannten "Tennisarm", die Sehnen in der Ellbogengegend sind chronisch entzündet. Es ist eine schmerzhafte Angelegenheit. Gelegenheit, Tennis zu spielen hat Ilona allerdings eigentlich nie, die Schmerzen gehen vielmehr auf ihre Arbeit zurück. Seit 16 Jahren steht Ilona auf dem Feld und erntet, was andere essen: Mais, Zucchini, was eben gerade da ist.

Obwohl das körperliche Schwerstarbeit ist, ist die Entlohnung mager: Laut Kollektivvertrag für das Burgenland, wo Ilona arbeitet, müsste sie 6,23 Euro in der Stunde bekommen. Das Problem: In der Praxis bleibt es meist bei der Theorie, was die Bezahlung angeht. So gut wie nie hat Ilona das verdient, was ihr gesetzlich zusteht.

Selbstorganisierter Protest

Ilona ist kein Einzelfall. 2013 legten 70 rumänische Erntehelfer in Tirol erstmals in großem Stil die Arbeit nieder. Es folgten öffentlich geführte Auseinandersetzungen über Löhne und Arbeitsbedingungen, auch Gerichtsprozesse. Seit dem selbstorganisierten Protest schaut die Gewerkschaft bei den Erntehelfern, die genau genommen meist Saisonniers sind, näher hin: Die zuständige Produktionsgewerkschaft rief in Kooperation mit NGOs eine Kampagne ins Leben und versucht seither, in direkten Kontakt mit den Betroffenen zu treten.

Die Themen, die sie beackern, sind durchaus vielfältig: Es geht um gerechten Lohn, Überstunden und Urlaubsgeld, aber auch um Mutterschutz und die Wohnsituation. Sónia Melo koordiniert die Aktivitäten der "Sezonieri-Kampagne": "Unsere Hauptarbeit ist die Aufklärung über ihre Rechte". Die Aktivistin erzählt von verschiedenen Methoden der Bauern, ihre Kosten möglichst niedrig zu halten. Arbeiter müssen zum Beispiel für die Gummiringe für Jungzwiebelbündel oder das benötigte Arbeitswerkzeug aufkommen. Dass das nicht erlaubt ist, würden viele nicht wissen, "auch wenn sie schon seit zehn Jahren hier auf den Feldern arbeiten", sagt Melo.

Vielfältige Verantwortung

Viele Erntehelfer wohnen bei den Bauern selbst und übernehmen auch Tätigkeiten im Haushalt wie Bügeln, Kinder ins Bett bringen oder putzen. Das Verhältnis erinnert an jene von früheren Knechten und Mägden, nur dass die fremden Landarbeiter für ihr Quartier meist bezahlen müssen. Laut Melo kommen die meisten Erntehelfer aus Rumänien und Serbien. Aber auch Bosnier, Ukrainer, Polen und Ungarn trifft sie viele. Wer wo arbeitet, hängt auch von der Region ab.

So arbeiten in der Steiermark viele Slowenen, im Burgenland viele Ungarn, die oft auch Tagespendler sind, so wie Ilona. An einem normalen Erntetag im Sommer steht Ilona um halb fünf auf dem Feld. "Das hält man bis neun aus. Dann kommt die erste Hitzewelle", erzählt die Landarbeiterin. Durchschnittlich zehn Stunden am Tag wird gearbeitet, bei der Frage nach Überstundenauszahlung oder Urlaubsgeld muss Ilona lachen.

Die Probleme fangen meist schon früher an: Die Ungarin erzählt, wie ein Bauer ihnen verbot, während der Arbeit Wasser zu trinken. "Die Wetterverhältnisse sind den Bauern meistens egal", sagt Ilona und berichtet davon, wie sie einmal gemeinsam mit anderen vom Feld ging, als ein Blitz in das Bewässerungssystem neben ihnen einschlug. "Der Bauer hat uns vom Jeep aus angeschrien: Weiterarbeiten!"

Politisches Fliegengewicht

Hätte Ilona die Möglichkeit, zu Hause genug Geld zu verdienen, würde sie nicht herkommen, sagt sie. Jetzt muss sie aber gerade schauen, dass sie überhaupt zu ihrem Geld kommt: Sie hat gemeinsam mit einem Kollegen einen Termin bei der Gewerkschaft, weil ihr eineinhalb Monate Lohn vorenthalten werden. Die beiden haben eigene Aufzeichnungen über ihre Arbeitszeiten mitgebracht. Dass sie gültige Arbeitspapiere von den Chefs bekommen, sei eine Seltenheit, sagt ihre Betreuerin.

Im Gegensatz zu den Bauern sind die Feldarbeiter politisch schlecht vertreten, findet Melo. Dabei haben diese oft mit existenziellen Problemen zu kämpfen. Die gesundheitlichen Folgen der Überbelastung sind gravierend: "Du arbeitest meistens gebückt oder auf allen Vieren", sagt Ilona, die nach einem Bandscheibenvorfall und einer halbseitigen Lähmung schon einmal operiert werden musste.

Die Landarbeiterkammer schätzt den Anteil der Österreicher unter den Landarbeitern auf 70 Prozent. Melo hingegen sagt, Österreicher suche man auf den Feldern meist vergeblich. Die meisten Bauern würden die Saisonniers sowieso bevorzugen, Experimente mit Österreichern würden oft darin enden, dass diese nach drei Tagen die anstrengende Arbeit wieder abbrechen. (Vanessa Gaigg, 26.9.2016)