Tallinn – In Estland ist die Entscheidung über den neuen Staatspräsidenten erneut vertagt worden. Auch im fünften Wahlgang ist es einem speziellen Wahlgremium am Samstag nicht gelungen, das höchste Staatsamt des baltischen EU- und Nato-Landes zu besetzen.

Nun muss das Parlament binnen zwei Wochen einen weiteren Anlauf nehmen, um den Nachfolger von Toomas Hendrik Ilves zu wählen. Es soll voraussichtlich am 3. Oktober in Tallinn tagen.

Keine absolute Mehrheit

Bei der Abstimmung am Samstag votierten 138 der 332 abstimmenden Wahlmänner für den früheren EU-Kommissar Siim Kallas von der regierenden Reformpartei. Der parteilose Jurist Allar Jõks kam auf 134 Stimmen. Damit verfehlten beide Kandidaten die notwendige absolute Mehrheit in dem aus 101 Abgeordneten und 234 Kommunalpolitikern bestehenden Wahlgremium. 57 Wahlzettel wurden leer abgegeben und drei waren ungültig.

"Ich bin traurig, weil ich ehrlich gesagt ein besseres Ergebnis erwartet hatte", sagte Regierungschef Taavi Rõivas (Reformpartei) der Deutschen Presse-Agentur nach der Abstimmung in der Konzerthalle in Tallinn. Er warf der Opposition eine Blockadehaltung vor. Auch der sozialdemokratische Parlamentspräsident Eiki Nestor zeigte sich enttäuscht über das Scheitern der Wahl.

Kallas und Jõks hatten zuvor in der vierten Wahlrunde unter fünf Bewerbern die meisten Stimmen erhalten und waren deshalb in einer Stichwahl gegeneinander angetreten. Beide kündigten dem estnischen Rundfunk zufolge an, in der nächsten Runde im Parlament nicht mehr antreten zu wollen.

Kallas sprach von einer "Verfassungskrise" und forderte Änderungen am Wahlsystem. Der Staatspräsident hat in Estland vorwiegend repräsentative Aufgaben. Die zweite und letzte fünfjährige Amtszeit von Präsident Toomas Hendrik Ilves endet am 9. Oktober. (APA, 24.9.2016)