Schummrige Salonatmosphäre in Dunkelgrün, alle Speisen um 15 Euro: das neue You im Meridien-Hotel.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die dick geschnittenen Lammkoteletts mit köstlich buttrigen Saubohnen und Granatapfelkernen – dieses Gericht wirkt schon sehr ausgereift.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Wiener Luxushotels haben ein bemerkenswert durchgängiges Problem: Nach dem Wegräumen des Frühstücksbuffets bleiben ihre aufwendig inszenierten Speisetempel für den Rest des Tages ziemlich gästefrei. Klar gibt es Ausnahmefälle wie das Sacher oder das Panorama-Restaurant im Sofitel – die sind aber so dünn gesät, dass sie die Regel nur bestätigen.

So konsistent, wie die internationalen Ketten von Park Hyatt und Ritz-Carlton über Hilton, Starwood, Steigenberger bis zu Kempinski bei ihren Wiener Hotelrestaurants danebenhauen, könnte das schon mit einer grundlegenden Fehlplanung zusammenhängen.

Es ist ja nicht so, dass da überall schlecht gekocht würde, manche der Lokale dürfen sich sogar mit einem Michelin-Stern schmücken. Aber die Kombination aus braver Gourmetküche, sparsam motiviertem Personal und halbherzig umgesetzten Konzepten reicht in einer Stadt mit derart lebendiger Gastroszene wie Wien eben längst nicht mehr, um die Gäste im Haus zu halten, geschweige denn von außen welche anzuziehen.

Schummriger Salon in Tannengrün

Eventuell liegt es auch daran, dass die Konzernchefs Wien aus der Ferne noch weiter im Osten verorten, als es eh schon ist. Mit Glitzer, Pomp und dem ewig gleichen Zutatenluxus aber kann man vielleicht in Kiew oder Minsk noch landen – bei uns nicht.

Hotelrestaurants sind fast immer innerbetriebliche Subventionsposten, die Image, aber kaum Geld bringen. Umso mehr würde es sich lohnen, statt austauschbarer Edelküche einmal zugespitzte Konzepte zu forcieren, das Hotel wieder im Bewusstsein der Stadt zu verankern und auch jüngere, trendaffine Konsumenten ins Haus zu locken.

Ein bemerkenswertes Beispiel dafür hat vergangene Woche im Le Meridien am Opernring eröffnet. Das zuletzt etwas ramponierte Haus wird derzeit renoviert, für die Neugestaltung des Gastrobereichs wurde Stephan Ferenczy vom Architekturbüro BEHF (Fabios, Shiki, Kussmaul, Motto am Fluss ...) engagiert.

Er verordnete dem Haus einen schummrigen Salon in dunkelstem Tannengrün, mit bronzefarben getönten Spiegeln, luxuriös samtenen Fauteuils und ziemlich kleinen, von innen beleuchteten Tischen in Onyx-Anmutung. Das schaut alles ganz neu und aufregend aus, irgendwie aber auch, als ob es schon seit Jahrzehnten da gewesen wäre.

Dicke Koteletts

Auf der Speisekarte stehen 18 Gerichte, die kosten alle dasselbe: 15 Euro. Das kann eine Schüssel wirklich guten Salats sein, aus ganz jungen Rote-Rüben-Blättern mit Quinoa, Avocado, gerösteten Cashews und grüner, gegrillter Papaya. Oder Bulgur-Taboulé mit gegrillten Calamaretti oder auch ein gar nicht so kleines Wiener Schnitzel mit Salat aus lila Erdäpfeln.

Manches, wie die dick geschnittenen Lammkoteletts mit köstlich buttrigen Saubohnen und Granatapfelkernen (siehe Bild), wirkt schon sehr ausgereift, anderes, wie die – an sich köstliche – Frühlingsrolle vom Chili-Koriander-Hendl mit Spargel und Guacamole, scheint im Vergleich gar mickrig dimensioniert. Den Mix aus asiatischen, mediterranen und heimischen Geschmackswelten bringt Küchenchef Alexander Radatz jedenfalls ziemlich überzeugend über die Rampe.

Die Getränke (Achtel Wein ab 7,50 Euro, Seidl Bier um 4,50) sind vergleichsweise gesalzen kalkuliert, dafür ist der Mittagstisch mit sechs Euro für den Tagesteller geradezu atemberaubend billig für ein Luxushotel.

Noch besser: Der Aperitivo-Slot von 17 bis 19 Uhr, bei dem um 18 Euro ohne Limit getrunken werden darf, ein Antipasti-Teller wird frei Haus noch draufgelegt. Klingt nach einer Einladung, sich vorher ganz nonchalant ein paar hinter die Binde zu gießen, um sich erst dann – entsprechend angespitzt – zum Essen zu setzen. (Severin Corti, RONDO, 30.9.2016)