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Ausdrucksintensiv: Geiger Maxim Vengerov.

Foto: EPA / A. Warzawa

Wien – Als Johannes Brahms 1853 in Düsseldorf war, um Kontakt zu Robert Schumann zu knüpfen, reiste auch einer der prägendsten Geiger des 19. Jahrhunderts an: Joseph Joachim. Er wurde mit einer ungewöhnlichen Freundschaftsgabe empfangen: der Sonate F. A. E. (nach seinem Motto "Frei, aber einsam"), die Brahms, Schumann und Schumann-Schüler Albert Dietrich gemeinsam komponiert hatten.

Anders als der Geiger, der erraten sollte, von wem welche Sätze stammten, kam das Publikum im Musikvereinssaal bei einer furiosen Interpretation von Brahms' c-Moll-Scherzo aus diesem Gemeinschaftswerk nicht in diesen Genuss. Maxim Vengerov und Marios Papadopoulos waren mit einem reinen Brahms-Programm zu Gast, also im Wesentlichen mit den drei Sonaten für Klavier und Violine – so die wörtliche, von Beethoven übernommene Betitelung, aus der die Gewichtung zwischen den beiden Instrumenten hervorgeht, die so schwer umzusetzen ist.

Ein Solist gleich welchen Rangs und ein Pianist als noch so versierter Begleiter können den Anspruch verfehlen, hier tatsächlich Kammermusik im Sinne gleichberechtigter Partnerschaft zu machen. Deutlich war zu merken, wie viel gemeinsames Musizieren die beiden verbindet – beinahe blind funktionierte die Kommunikation, doch meist wirkte sie mehr als Einbahn denn als ausgeglichenes Wechselspiel.

Und gewiss zeigte sich Vengerov bei jeder Note als der vollendete, fantasiebegabte, tiefsinnige, ausdrucksintensive Musiker, als der er zu Recht Weltruf genießt: Sein Ton ist von ebensolcher Kraft wie (nötigenfalls) Süße, er phrasiert durchdacht, lebendig, plastisch, facettenreich, scheint viele Nuancen erst im Augenblick zu ersinnen und verströmt überhaupt Spontaneität, die sich mit Reife verbindet. Papadopoulos folgt ihm schlafwandlerisch, mit zahlreichen eigenen Gestaltungsimpulsen.

Doch ist schon sein zurückhaltendes Verhalten beim Betreten der Bühne bezeichnend für die Art, wie er seinen Part ausfüllt: Im Zweifel entscheidet er sich für den Hintergrund, während der Geiger noch Begleitfiguren bedeutungsvoll in den Saal morst. Noch deutlicher zeigte sich die Arbeitsteilung bei den Zugaben, der ersten und zweiten Ungarischen Rhapsodie: Hier absolvierte Vengerov (quasi "frei, aber einsam") einen spontanen Ritt durch Extreme mit Hü-hott-Tempi, während Papadopoulos sich noch mehr der Rolle des vom Blatt lesenden, dem Solisten nachhechelnden Korrepetitors annäherte. Das machte die Performance des Geigers allerdings kaum weniger umwerfend. (Daniel Ender, 28.9.2016)