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Im Winter waren die "Soldiers of Odin" laut eigener Aussage in 27 finnischen Städten aktiv. Seitdem, so Experte Dan Koivulaakso, "haben sie zu viel geredet und zu wenig gemacht".

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Mika Ranta will trotz interner Probleme expandieren.

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Mika Ranta ist bekennender Nationalsozialist. Nationalsozialist, nicht Nazi, das wäre herabwürdigend, darauf legen Finnlands Rechtsextreme allgemein Wert. Mika Ranta ist gleichzeitig auch Gründer einer Bewegung, die von sich selbst sagt, nicht rassistisch zu sein, und nationalsozialistisch schon gar nicht. Vergangenen September verließ der 29-Jährige die "Finnische Widerstandsbewegung" (SVL), um die "Soldiers of Odin" zu gründen.

Während die SVL nach einem supranordischen NS-Staat strebt, wollen die Soldiers nur eine einfache Nachbarschaftswache sein. Schwarze Shirts und Jacken mit einem stilisierten Wikinger am Rücken sind ihr Erkennungszeichen, Sicherheitspatrouillen ihre Mission. Sie wollen die Bevölkerung nach eigener Auffassung vor kriminellen Flüchtlingen schützen.

Schneller Aufstieg

Anfangs verbreitete sich die Marke über Facebook rasant, bald gab es Gruppen in mehr als zwanzig finnischen Städten und sogenannte "Kapitel" in vielen weiteren Ländern. Es schien eine Erfolgsgeschichte des rechten Rands zu werden. Denn "migrationskritisch" sind die Soldiers, so viel gaben sie immer zu, das brachte ihnen Zulauf. Ranta sagt selbst, er sei von dem enormen Wachstum in den Anfangsmonaten überrascht worden. Er habe das nicht forciert, die Menschen seien ihm zugelaufen.

Bald nach dem Aufkommen der Nachbarschaftswache bildete sich aber gesellschaftlicher Widerstand: Die "Loldiers of Odin" parodierten die Soldiers in voller Clownmontur, eine Studentin sicherte sich den Markennamen "Soldiers of Odin" und verkauft nun unter dem Banner der Rechtsextremen Kleidung – ihr Lieblingsmotiv sind rosa Einhörner.

Die "Loldiers of Odin" in Aktion.
Loldiers Of Odin

Trotz allem blühten und gediehen die Soldiers im Winter. Jetzt sind sie etwa ein Jahr alt, und der Kampf gegen Rechtsextremismus ist das bestimmende Thema in Finnland, nachdem ein SVL-Gründungsmitglied vor wenigen Wochen einen Passanten bei einer Kundgebung getötet hat. An Odins Soldaten denkt nun aber keiner mehr. Von dem Leuchtfeuer der rechten Szene blieb nur ein wenig Glut.

Schneller Fall

Was ist passiert? Viel. Der finnische Sender YLE veröffentlichte Leaks aus geschlossenen Soldiers-Facebook-Gruppen: Hitlergrüße, Waffen, rassistische Aussagen. "Am Anfang unterstützten viele normale Menschen sie, aber bald kam die Erkenntnis: 'Oh, die sind wirklich rassistisch!'", erzählt die YLE-Journalistin Sara Rigatelli, die die Screenshots damals publizierte.

Manchmal machten sie daraus auch selbst kaum ein Geheimnis. So durfte die "Daily Mail" in einem Klubhaus voller Nazi-Devotionalien filmen. Die Soldiers argumentierten, das sei eben nur der persönliche Geschmack des Mitglieds, das seine Wohnung zur Verfügung stellte. "Sie haben sich verkalkuliert, wollten zu viel Kontakt mit den Medien", befindet Dan Koivulaakso, Linkspolitiker und Mitautor von "Äärioikeisto Suomessa", dem Standardwerk zu allen Spielarten des finnischen Rechtsextremismus. "Sie redeten zu viel und taten zu wenig."

Faulheit und Streithähne

Simo Suni, Gründungsmitglied der Soldiers-Gruppe in Finnlands zweitgrößter Stadt Turku, erzählt dem STANDARD von früheren Problemen: "Anfangs wollte jeder die Kleidung tragen und ein Odin sein, aber sie wollten nicht rausgehen und wirklich Gutes tun." Die Soldiers: mehr Online-Bruderschaft als Bürgerwehr.

Die Vergangenheit der Einzelpersonen war ein weiterer Grund für den Zerfall. "Die meisten Mitglieder haben schwierige Hintergründe wie Drogenkonsum oder Schulden, sie verstehen sich oft nicht gut. Oft begannen sie schlicht zu streiten und hörten auf", sagt Rigatelli.

Um Eskalationen und nazistischen Ausfälligkeiten vorzubeugen, hatten die Soldiers eine Regel, erzählt Suni: "Hast du einen Odin am Rücken, mach nichts Dummes!" Das funktionierte gut, erst vor wenigen Wochen musste die Polizei erstmals bei einer Patrouille einschreiten, weil sich eine Schlägerei mit Finnen und Migranten anbahnte. Fünf Mitglieder wurden festgenommen.

Odins Soldaten rüsten ab

Während ihrer winterlichen Blütezeit will die Bürgerwehr in 27 finnischen Städten aktiv gewesen sein. Nun seien es "weniger als zehn Städte", sagt Hauptkommissar Timo Kilpeläinen, für Extremismus zuständig. Viele Gruppen ruhen, manche spalteten sich ab. Auch die Gruppe in Turku hat sich im September außerhalb des Soldiers-Verbunds neu organisiert – warum, will Suni nicht sagen: "Mika Ranta kann das tun, wenn er will." Er will nicht.

Ranta gibt aber auch nicht auf. "Wir haben Pläne und wollen weiter expandieren", sagt er dem STANDARD wenige Monate nachdem er für schwere Körperverletzung zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde. Im Sommer gelang das vor allem in Kanada und den USA, auch wenn sich dortige Kapitel häufig von der politischen Ausrichtung der Mutterorganisation distanzieren.

Kein Austro-Kapitel

In Österreich hat Odin noch keine Soldaten, auch wenn sich Ranta an Kontakte zu Österreichern zu erinnern glaubt. Diese scheinen aber bisher beim deutschen Kapitel unterzukommen. Die europäischen Dependancen verkümmern wie das finnische Original zusehends, Nordamerika bleibt der einzige Wachstumsmarkt.

Doch auch in Finnland könnten die Soldiers wieder erstarken, warnt Rigatelli: "Gäbe es mehr Probleme mit Flüchtlingen, würden sie wieder beliebter werden." Nachsatz: "Aber solange nichts passiert, sind sie sinnlos – und das wissen sie." (Martin Schauhuber aus Helsinki, 30.9.2016)