Der Schachtelwirt in der Judengasse.

Foto: Alex Stranig

Take-Away wird à la minute zubereitet.

Foto: Alex Stranig

Es gibt diesen Moment im Leben eines Wahlwieners, in dem er sich eingestehen muss, dass er manche Orte der Stadt lieber meidet. Das Bermudadreieck ist so ein Ort. Zu schlimm sind die Erinnerungen an lange zurückliegende Abende mit Stamperln auf Holzbrettern, Karaoke in Kellerlokalen und Happy-Hours mit untrinkbarem Fusel. Der einzige Grund, wieder einen Fuß in diesen Sündenpfuhl zu setzen, könnte ein neues kleines Lokal sein, das kürzlich eröffnete.

In der Judengasse haben der Feuerwehrmann Thomas Rijs und sein Geschäftspartner Thomas Fuchs einen Imbiss aufgesperrt, der so gar nicht in das Bild der berüchtigten Partymeile passen will. Eine lange Theke, die mit Holz eines uralten Stadls verkleidet ist und eine offene Küche, bei der man durch Butzenglas lugen und dem Koch beim Hantieren mit Pfannen und Töpfen zusehen kann, bilden das Herzstück des Take-away-Lokals.

Essen aus dem Schachterl

Der Name (Schachtelwirt) lässt bereits vermuten, dass hier alles in Papierboxen serviert wird. Weil der Name Programm ist, bekommt man sein Essen auch im Schachterl, wenn man im Lokal isst. Die Frage "Zum Hieressen oder zum Mitnehmen?" ist somit obsolet. Wer die Zeit hat, sollte sich aber einen Platz an einem der Hochtische sichern.

Einerseits um zuzusehen, wie die Speisen à la minute zubereitet und die Kartonbox geschichtet werden und andererseits um mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Die Offenheit der beiden Gastro-Quereinsteiger und die laute Ibiza-Musik aus den Boxen sind dabei eine gute Starthilfe und sollten auch wortkarge Soziophobiker zum Sprechen animieren.

Mundgerecht

Wichtiger ist aber natürlich das Essen, und das braucht sich nicht verstecken. Die wöchentlich wechselnde Karte hält österreichische Klassiker parat, die durch spannende Neuinterpretationen durchaus als Upscaled Hausmannskost bezeichnet werden dürfen. Den Schweinsbraten mit Fleisch vom Fleischer Hödl gibt es immer, ist er doch der Verkaufsschlager.

Und wer sich erst einmal daran gewöhnt hat, Braten, Kruste, Kraut und Knödel aus einer Papierbox zu essen, wird überrascht sein, wie köstlich dieses Gericht schmecken kann. Das Fleisch ist von einer Zartheit, die Schwarte herrlich knusprig und das Kraut aromatisch und saftig. Gegen ein bisschen mehr Salz in den hausgemachten Semmelknödeln hätte sicher niemand etwas einzuwenden.

Schweinsbraten (7,50 Euro) mit Apfel- oder Sauerkraut, Knödel und extra Knusperschwarte steht immer auf der Karte.
Foto: Alex Stranig

Messer sucht man beim Schachtelwirt übrigens vergebens. Man braucht sie auch nicht, kommt doch jedes Gericht in mundgerechten oder mit der Gabel zerteilbaren Stücken daher. Sehr clever. Saftig und köstlich gewürzt ist das Kalbsrahmgulasch mit hausgemachten Nockerl. Ein Gericht, von dem sich so manch Wiener Wirt mit Porzellangeschirr was abschauen kann.

Ob das an den Tipps vom kürzlich zum Vierhaubenkoch gekürten Silvio Nickol (Gourmetrestaurant Silvio Nickol) liegt, ist nicht bekannt. Das Ergebnis ist aber so oder so gelungen.

Zum Kalbsrahmgulasch (8,50 Euro) gibt es hausgemachte Nockerl.
Foto: Alex Stranig

Das vegane Gröstl aus Erdäpfel, Roter Rübe und Birne schmeckt ebenso passabel wie die kräftig in Butter geschwenkten Schupfnudeln mit Waldviertler Graumohn. Das dazu gereichte Apfelmus schmeckt süchtigmachend gut.

Rote-Rüben-Kohlrabi-Gröstl (7,50 Euro) mit Birne, Salbei und Majoran wird mit geriebenem Krenn serviert.
Foto: Alex Stranig

Wäre da nicht diese Pappendeckelbox, man vergäße fast, in einem Imbisslokal im Bermudadreieck zu sitzen. Ein Grund mehr, mit alten Traumata zu brechen. Schnaps und Karaoke-Maschine gibt es Gott sei Dank hier eh nicht. (Alex Stranig, 4.9.2016)