Aktienrückkaufprogramme tragen wesentlich zum Gagenprofit bei.

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Vorstandschefs (CEOs) verdienen viel zu viel. So weit der weltweite Konsens außerhalb dieser Zirkel (und ihrer Berater). Vor allem im Verhältnis zu den durchschnittlichen Einkommen in ihren Firmen. Ganz zu schweigen vom Durchschnittslohn in den jeweiligen Ländern. Dass die Grenze, die der mittlerweile verstorbene Ökonom und Management-Vordenker Peter Drucker als Schranke definierte, ab der Arbeitnehmer "zornig werden und die Moral nach unten geht", längst durchbrochen ist, ist auch offensichtlich. Drucker benannte diese Schranke mit dem 20-fachen CEO-Verdienst eines durchschnittlichen Arbeitnehmers.

Die Grenze ist weit überschritten

Schon 2005, zum Zeitpunkt von Druckers Ableben, verdiente ein US-CEO 400-mal so viel wie sein durchschnittlicher Mitarbeiter. Wen diese riesigen Ungleichgewichte immer aufgeregt haben, wer dachte, dass genau so nicht nur die Arbeitsmoral sondern, auch die sogenannte Mittelschicht weggefegt wird, erhält nun regelmäßig noch unglaublichere Befunde zu den Einkommen der Top-500-Bosse in den USA. Der "Executive Paywatch" der Gewerkschaft AFL-CIO (American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations) findet für das Jahr 2015 ein Verhältnis von 335:1.

949-mal mehr Gehalt

Allerdings, schrieb kürzlich die Zeitschrift The Atlantic: Das ist weit zu tief gegriffen. Tatsächlich gehen die Superbosse (S&P-500-Unternehmen) mit 949-mal so viel nach Hause wie ihre durchschnittlichen Mitarbeiter. Die große Diskrepanz, so die Erklärung, liege an den jeweils verwendeten Daten der Börsenaufsicht SEC. Dort wird der "estimated fair value" (EFV) der CEO-Einkommen ausgewiesen. Tatsächlich sei aber der "actual realized gain" (ARG) heranzuziehen, denn damit gehen die Chefs tatsächlich nach Hause. Um tatsächliche Gelder einzusehen, bedürfe es des Blicks in die Steuererklärungen der Bundessteuerbehörde (Internal Revenue Service). Und da zeige sich noch viel, viel mehr als die immer wieder als bestürzend herumgereichte Relation von rund 350:1. Nämlich bis zu 949:1.

In konkreten Zahlen (liegen komplett nur für 2014 vor) rechnet The Atlantic vor: Laut EFV-Daten lag die durchschnittliche Compensation der 500 höchstbezahlten Top-Executives in den USA bei durchschnittlich 19,3 Millionen Dollar (17,2 Millionen Euro), 62 Prozent davon sind aktienbasierter Vergütung zuzuschreiben. Sehe man dagegen die ARG-Daten an, dann käme man bereits auf 34,3 Millionen Dollar, davon 81 Prozent aktienbasiert.

Ein Verlauf, kein Ausreißer

Solche Diskrepanzen ließen sich zwischen 2006 und 2014 fortlaufend nachweisen – besonders krass dann, wenn die Aktienmärkte oder die jeweiligen Aktien boomten. Eine Erklärung dafür seien auch gewaltige Aktienrückkaufprogramme, die eben nicht nur den Kurs, sondern auch die Gage trieben. (Fast vier Billionen Dollar macht das Volumen der Aktienrückkäufe zwischen 2006 und 2015 im S&P 500 aus.)

Vor zwei Jahren war Harvard (Michael Norton) an einer großangelegten Studie beteiligt, die herausfinden wollte, was weltweit als gerechter Einkommensunterschied zwischen CEOs und Mitarbeitenden gesehen wird. Dieser sogenannte Gap liegt zwischen rund zweimal und achtmal so viel. Wäre das gerechnet an den tatsächlichen CEO-Gagen so, würde der Umkehrschluss lauten: Durchschnittliche Mitarbeitende gehen mit einer halben oder einer Million Dollar nach Hause.

Randnotiz: Laut einer Umfrage schätzen US-Bürger, dass CEOs 30-mal so viel verdienen wie durchschnittliche Erwerbstätige. Aufgrund dieser Fehleinschätzung, sagt Betriebswirtschaftsprofessor Michael Norton, bestehe auch nicht so ein dringender Handlungsimperativ aufseiten der "normalen Arbeitenden".

Dass die Schweiz 2013 versuchte, die Vorstandsgagen mit dem Zwölffachen der Durchschnittseinkommen zu begrenzen, und dieses Votum scheiterte, arbeitet ihm in dieser Betrachtung zu.

Österreich: Es geht auseinander

Und in Österreich? Ein-, zweimal im Jahr werden zu hohe Vorstandsgagen kritisiert. Die Aufregung dauert kurz, ebbt wieder ab. Das Verhältnis Vorstandsgehalt im Börsenindex ATX zu Durchschnittsgehalt in Österreich beträgt 50:1, sagt Julian Mauhart, Compensation-Fachmann bei Deloitte. "Zieht man das Medianeinkommen heran, beträgt das Verhältnis sogar schon 60:1. Tendenz steigend." Warum tut sich dieser Gap in Österreich weiter auf? Laut Mauhart liegt das an den relativ niedrigen Kollektivvertragsabschlüssen bei gleichzeitig doch "kontinuierlich steigenden Vorstandseinkommen". (kbau, 3.10.2016)