Dass nur wenige Mütter eine wirkliche Vereinbarkeit von Kind und Beruf erkennen, ist schon länger bekannt. Nun werden auch die Väter unzufriedener. Für die Unternehmensberatung A.T. Kearney ein deutliches Signal an Unternehmen: Sie sollen Familienpolitik als Wachstumspolitik sehen, heißt es in einer Umfrage.

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Es ist Zeit für die Alarmglocken. So drastisch drückt es Martin Sonnenschein aus, Initiator der Familienstudie bei und Mitglied des Global Board of Directors von A.T. Kearney. Die Unternehmensberatung veröffentlichte vor kurzem zum vierten Mal die Ergebnisse der Befragung – eine repräsentative Bestandsaufnahme der Familienfreundlichkeit in deutschen Unternehmen mit mehr als 900 befragten Arbeitnehmern.

Ungenügend Möglichkeiten in Unternehmen

Weshalb es Handlungsbedarf gebe? 92 Prozent der befragten Väter erachten mittlerweile eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie für ihr persönliches Wohlbefinden als sehr wichtig, doch nicht einmal die Hälfte findet, dass in ihren Unternehmen Beschäftigte mit Familienpflichten gute berufliche Möglichkeiten haben. Fast jeder Vierte geht sogar davon aus, dass Familienpflichten zu schlechteren Chancen führen.

Während heute etwa jeder Fünfte mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf hadere, sei es im Vorjahr nur jeder 20. Vater gewesen, heißt es bei A.T. Kearney. Dabei ist die Unzufriedenheit der Väter (18 Prozent) im Vergleich zum vergangenen Jahr (fünf Prozent) nicht nur deutlich stärker gestiegen als die der Frauen (von sechs auf acht Prozent), sondern hat diese sogar überholt.

Karrierebremsen befürchtet

Verschlechtert hat auch die Wahrnehmung der eigenen Karriere aufgrund von Betreuungspflichten: Jeder dritte Vater glaubt, dass seine Karriere gefährdet ist, wenn er familienfreundliche Angebote in Anspruch nimmt (im Vorjahr nur jeder fünfte). Gleich viele denken außerdem, dass berufliche Leistungen schlechter wahrgenommen werden, falls sie entsprechende Maßnahmen in Anspruch nehmen. 38 Prozent rechnen mit zukünftigen finanziellen Einbußen.

"Während der vergangenen fünf Jahre der Familienstudien ist es Unternehmen nicht gelungen, die Ängste und Sorgen der Eltern gegenüber familienfreundlichen Maßnahmen der Unternehmen abzubauen", sagt Sonnenschein. Das sei für die Unternehmen umso alarmierender, als die Wechselbereitschaft der Väter spürbar gestiegen sei. Im Gegenzug seien Arbeitnehmer, die in ihrem Unternehmen eine gute Vereinbarkeit erleben, loyaler und häufiger bereit, sich über das normale Maß hinaus zu engagieren. "Unternehmen und Führungskräfte", so Sonnenschein, "werden heute daran gemessen, wie familienfreundlich sie sind."

Vereinbarkeit als Wachstumsfaktor

Familienpolitik sehen die Berater von A.T. Kearney für nicht als vernachlässigbar an. Da gehe es nicht um Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau, sondern um knallharte Wettbewerbsfähigkeit, sagt Sonnenschein. "Familienpolitik ist Wachstumspolitik: Unternehmen, die das nicht verstehen, verlieren neben ihren besten Mitarbeitern auch ihre Wettbewerbsfähigkeit."

Status quo in Österreich

Dass die Werte in Österreich viel positiver ausfielen, darf bezweifelt werden. A.T. Kearney hat hierzulande aber keine Befragung durchgeführt. Studien zum Thema gibt es allerdings schon einige – beispielsweise eine 2014 von der Arbeiterkammer Wien in Auftrag gegebene repräsentative telefonische Befragung von rund 570 Beschäftigten aus der Privatwirtschaft, die mit zumindest einem Kind unter zwölf Jahren im gemeinsamen Haushalt leben.

Einerseits wird darin betont, dass für viele Beschäftigte vor allem hinsichtlich der Arbeitszeit Rahmenbedingungen existieren, die Vereinbarkeit erschweren: 34 Prozent der Befragten gaben damals an, dass sie ihre Arbeitszeiten nicht immer früh genug kennen. Für Männer würden sehr lange Arbeitszeiten, bedingt durch Überstunden, ein zusätzliches Hemmnis darstellen.

Andererseits gebe es im Rahmen von Gleitzeitmodellen beziehungsweise durch Entgegenkommen durchaus positive Beispiele. Elternteilzeit-Vereinbarungen würden in Österreich eine zusätzliche Absicherung darstellen. Die unterschiedlichen Rahmenbedingungen für Eltern seien dabei durchaus branchenspezifisch. Männerdominierte Branchen zeichnen sich der Studie zufolge durch starre Regeln und geringes Verständnis für die Bedürfnisse von Eltern aus.

Allerdings: Nur 43 Prozent bewerteten die Familienfreundlichkeit des Arbeitgebers als sehr positiv. Dort, wo es betriebliche Fördermaßnahmen gibt, wird auch die Vereinbarkeitskultur insgesamt etwas besser eingeschätzt. Nur jeder Fünfte gab jedoch an, solche Fördermaßnahmen im Betrieb in Anspruch nehmen zu können. (lhag, 4.10.2016)