Brigitte Hamann bei der Verleihung des Ehrenpreises des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln im Jahr 2012.

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Wien – Die Historikerin und Autorin Brigitte Hamann ist tot. Wie aus Familienkreisen verlautete, verstarb sie am Dienstag im 77. Lebensjahr. Hamanns Werk umfasst vor allem Monografien zu historischen Themen, in Österreich wurde die gebürtige Deutsche mit ihren Büchern über die Habsburger populär. Nicht wenige ihrer Publikationen wurden zu Standardwerken – wie das 1988 erschienene biografische Lexikon "Die Habsburger" oder ihr vielleicht bekanntestes Buch "Hitlers Wien – Lehrjahre eines Diktators" von 1996. Es prägte die Hitlerforschung nachhaltig.

Hamann, die bis zuletzt in Wien lebte, schrieb über Mozart, die Familie Wagner und legte eine Biografie Bertha von Suttners vor. Auch ihre bekannteste Biografie widmete Hamann einer Frau – 1981 erschien "Elisabeth, Kaiserin wider Willen". Das Buch wurde ins Italienische, Französische, Englische, Spanische und Ungarische übersetzt, allein in Ungarn verkaufte es sich 100.000-mal.

Breite Anerkennung

Hamann war umfassend gebildet, recherchierte minutiös, betrieb intensive Archivarbeit, schrieb präzise. Sie genoss zugleich die Anerkennung der universitären Geschichtswissenschaft wie jene des Publikums – und war damit eine Ausnahmeerscheinung unter den freien Historikern und Historikerinnen.

Hamann studierte Germanistik und Geschichte in Münster und Wien. Für Wien hatte sie sich entschieden, "weil hier Herbert von Karajan Direktor der Oper war", wie sie später im Vorwort zu ihrem Buch "Österreich. Ein historisches Porträt" bekannte. 1940 als Brigitte Deitert in Essen geboren, ließ sie sich zunächst zur Realschullehrerin ausbilden, arbeitete als Journalistin und heiratete 1965 den 1994 verstorbenen Wiener Historiker Günther Hamann, dessen Assistentin sie eine Zeitlang war. Die beiden waren Eltern zweier Töchter und eines Sohnes.

Früher Durchbruch

Der Durchbruch als Autorin gelang ihr im Jahr 1978 schon mit dem ersten Buch – einer überarbeiteten Fassung ihrer Dissertation über Kronprinz Rudolf. Dem Regisseur Robert Dornhelm sollte das Werk 30 Jahre später als Grundlage für einen TV-Zweiteiler dienen. Die Verbindung von historischer Präzision und publikumsnaher Aufbereitung von Inhalten war die Spezialität Brigitte Hamanns.

"Ich hatte einen anderen Blick auf Österreich und begann, mit einer gewissen Distanz zu schreiben", sagte sie einmal über ihre deutsche Herkunft. Diese Distanz sollte sich als überaus fruchtbar erweisen; und Hamann konnte sie sich bewahren, nachdem sie 1966 zusätzlich zur deutschen die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten hatte. Sie berührte in ihren Büchern Fragen nach Österreichs nationaler Identität und legte auf diese Weise bis heute wirkende Kontinuitäten frei. In ihrer Biografie Bertha von Suttners zeichnet sie nicht nur deren Kampf für den Frieden nach, sondern betont auch ihren kaum bekannten Einsatz gegen den Antisemitismus im ausklingenden 19. Jahrhundert.

Erfolgreich im besten Sinne

Brigitte Hamann erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen – etwa den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels, den Anton-Wildgans-Preis, den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch und die Silberne Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien. Gerald Stourzh, emeritierter Professor für Geschichte an der Universität Wien, nannte Hamann einmal "eine der erfolgreichsten Historikerinnen des deutschen Sprachraums".

Nun mag Erfolg eine heikle Kategorie sein, wenn es um die Bewertung wissenschaftlicher Hervorbringungen geht. Was macht den Erfolg einer Historikerin, eines Historikers aus? Das Ausleuchten unterbelichteter Winkel der Geschichte? Methodische Exzellenz und fachliche Präzision? Die Höhe der Buchauflagen? Brigitte Hamanns Erfolg bestand vor allem darin, exakt recherchierte historische Fakten verständlich, plausibel und mit humanistischer Haltung so zu erzählen, dass sie sehr viele Menschen erreichen – so, dass sie Debatten im Großen und Reflexionsprozesse im Kleinen auslösen. (Lisa Mayr, 4.10.2016)