Der Aspekt der "Care-Arbeit" blieb bei der ÖkonomInnenkonferenz gänzlich ausgespart.

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"Industrie 4.0" ist ein oft bemühtes Schlagwort. Die JungökonomInnenkonferenz an der Wiener Arbeiterkammer gab von Dienstag bis Mittwoch Anlass, sich in Zeiten von Wirtschaftskrisen und technologischem Wandel mit arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen auseinanderzusetzen. Mitveranstalterin war die Gesellschaft für Plurale Ökonomik in Wien, die sich als Teil einer internationalen studentischen Bewegung seit drei Jahren für mehr Vielfalt in den Wissenschaften einsetzt.

15-Stunden-Woche

14 Forschungsprojekte junger WissenschafterInnen sollten brisante Anstöße abseits der gut finanzierten Mainstreamforschung liefern. Die Fragestellungen zum Thema sind ebenso spannend wie vielfältig: Wie wird der technische Fortschritt unsere Arbeitszeiten und Lebensbedingungen verändern? Werden wir mehr Freizeit – Stichwort Work-Life-Balance – haben? Wird Keynes Vision von der 15-Stunden-Woche, die er 1930 in seiner Schrift "Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkelkinder" veröffentlichte, schon bald Wirklichkeit? Wie wirkt sich das im Speziellen auf die Arbeitszeiten von Frauen und Männern aus?

Umso überraschender waren die überwiegend konventionellen Zugänge zum Thema: Der Aspekt der "Care-Arbeit", im feministischen Diskurs längst ein wichtiger Fokus, blieb gänzlich ausgespart. In den präsentierten Modellen wurde das Thema der unbezahlten Arbeit, sei es im Bereich des Haushalts, der Kindererziehung, der Freiwilligenarbeit, der Bildung oder der Altenpflege, großteils nicht mitgedacht. Gerade in einer Gesellschaft, die so stark von Überalterung betroffen ist wie die unsere in Europa, ist das mehr als verwunderlich.

Innovation und Einkommensungleichheit

Auch die Arbeit von Stella Zilian zu "Innovation und Einkommensungleichheit" beschränkte sich in der bisher vorliegenden Form auf eine historische Rückschau, die die vier Stadien der Industriellen Revolution seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beleuchtete. Die gute Nachricht für OptimistInnen: Seit damals schon wurde der Mensch durch Maschinen ersetzt, nach ersten negativen Effekten auf die Beschäftigung überwogen in einem größeren Zeitraum betrachtet die Vorteile.

Was genau meinen wir aber, wenn wir von "Beschäftigung" reden? Der angekündigte visionäre Aspekt kam – zumindest in den am Dienstag vorgestellten Arbeiten – zu kurz. "Ist makroökonomische Politik genderneutral?", fragte Selin Secil Akin. Sie untersuchte dafür 17 Länder in OECD-Europa zwischen 1980 und 2015. Die Antwort ist, verkürzt gesagt: nein. Inflationsreduzierende Politiken hätten negative Effekte auf weibliche bezahlte Beschäftigung. Dass Rezession, also ein ungewollter Rückgang der Konjunktur, zu wenig von Inflationspolitik abgegrenzt wurde, ist eine der Schwächen der Arbeit.

Diana Natkhir untersuchte Geschlechterungleichheit bei Erwerbsarbeit in den vergangenen sechs Jahren in Schweden, Finnland, Dänemark und Deutschland als den "innovativsten" Ländern in Europa. Auch hierbei wurde die Frage nach der Qualität von Arbeit oder gar einem neuen Arbeitsbegriff völlig ausgeklammert. Damit fiel die visionäre Ausrichtung der Debatte weit hinter den Stand einer Veranstaltung anlässlich von "40 Jahre 40-Stunden-Woche" ebenfalls in der AK im Vorjahr zurück. (Tanja Paar, 5.10.2016)