Nach massiven Protesten wurde der umstrittene Gesetzesentwurf zum Abtreibungsverbot vom polnischen Parlament abgelehnt.

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Warschau – Nach massiven Protesten ist das polnische Parlament am Donnerstag offenbar eingeknickt und hat ein geplantes striktes Abtreibungsverbot abgelehnt. Der Gesetzentwurf des Bürgerkomitees "Stoppt Abtreibung" hätte nur noch bei einer unmittelbaren Lebensgefahr der Frau einen Schwangerschaftsabbruch erlaubt und Haftstrafen für ÄrztInnen und Frauen vorgesehen.

Am Donnerstag stimmten 352 Abgeordnete gegen den Gesetzentwurf, 58 waren dafür. Es gab 18 Enthaltungen. Dem Votum ging eine emotionale Debatte voraus. "Wir müssen verschiedene Meinungen zu dem Thema respektieren", sagte Ministerpräsidentin Beata Szydło.

Bereits jetzt eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze

Noch Ende September hatte das von den Nationalkonservativen dominierte Parlament des stark katholisch geprägten Landes dafür gestimmt, die Gesetzesinitiative weiterzuverfolgen und sie den zuständigen Ausschüssen zu übergeben. Dabei ist das polnische Abtreibungsrecht bereits jetzt EU-weit eines der strengsten: Es erlaubt Schwangerschaftsabbrüche nur bei Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter, nach Vergewaltigung oder Inzest oder wenn das Kind bleibende schwere Missbildungen aufweist.

Den überraschenden Seitenwechsel verteidigte auch der mächtige Vorsitzende der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), Jarosław Kaczyński, der als Befürworter eines Abtreibungsverbots galt. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass das restriktive Gesetz das Gegenteil bewirken könne, sagte er. Im Gegenzug kündigte die PiS bis Ende des Jahres ein Programm für Mütter an, die sich für das Austragen schwieriger Schwangerschaften entschließen würden.

Massive Proteste, auch in anderen europäischen Städten

Nachdem es in den vergangenen Tagen massive Proteste in Polen, aber auch in Berlin, Brüssel, London, Paris und Bukarest gegeben hatte, hatte sich am Mittwoch ein Kurswechsel in der polnischen Regierung angedeutet. So empfahl der parlamentarische Justizausschuss die Ablehnung der Gesetzesinitiative durch das Parlament. Auch Regierungschefin Szydło distanzierte sich öffentlich davon. Die PiS habe "Angst vor den Frauen bekommen, die auf die Straße gegangen sind", sagte die ehemalige liberale Ministerpräsidentin Ewa Kopacz, die in dem Justizausschuss sitzt.

Durch das international kritisierte Gesetz sahen die Nationalkonservativen sogar ihre Wiederwahl in Gefahr, wie PolitologInnen meinten. "Frauen zu bestrafen war nie unsere Absicht", betonte Sejm-Vizemarschall Ryszard Terlecki.

Der überraschende Kurswechsel der Regierung wurde von den AbtreibungsgegnerInnen scharf kritisiert. Die Debatte sei viel zu kurzfristig einberufen worden, monierten sie und sahen sich von der PiS verspottet.

Reaktionen von österreichischen EU-Abgeordneten

Der SPÖ-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer zeigte sich "erleichtert und erfreut" über das Votum und warnte vor Strafen für abtreibende Frauen. "Ein Verbot von Abtreibungen führt vor allem zu illegal durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen mit massiven gesundheitlichen Gefahren", erklärte er in einer Aussendung. Weidenholzer will anstatt "weltfremder Abtreibungsgesetze" ein Klima schaffen, "in dem Kinder willkommen sind".

Laut Medienberichten will die polnische Regierung ihrerseits bald einen eigenen Gesetzesentwurf präsentieren. Die grüne Europaabgeordnete Ulrike Lunacek betonte in einer Aussendung, man werde darauf achten, "dass hier nicht versucht wird, durch die Hintertür Einschränkungen und Verschlechterungen für Frauen einzuführen".

Schwangerschaftsabbrüche im Ausland

In dem 38 Millionen Einwohner zählenden Land werden jährlich weniger als 2.000 legale Abtreibungen vorgenommen. Frauenrechtsgruppen gehen davon aus, dass zusätzlich 100.000 bis 150.000 Frauen illegal oder im Ausland einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Eine Umfrage vom vergangenen Monat im Auftrag des Magazins "Newsweek Polska" ergab, dass 74 Prozent der Bevölkerung dafür sind, das bestehende Abtreibungsgesetz aus dem Jahr 1993 beizubehalten.

Die einflussreiche katholische Kirche des Landes unterstützte das umfassende Abtreibungsverbot, allerdings erklärten die polnischen Bischöfe am Mittwoch, sie lehnten die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Gefängnisstrafe für die betroffenen Frauen ab. Die Initiative sah vor, dass bei einer Abtreibung sowohl die ausführenden ÄrztInnen als auch die Frauen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden können. (APA, 6.10.2016)