Die islamistische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung füllt – zumindest in den Städten – die Hallen.

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Rabat/Madrid – Nordafrikas einzige gewählte islamistische Regierung stellt sich der Wiederwahl: In Marokko tritt am Freitag Premier Abedelillah Benkirane von der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) vor die Wähler. Er regiert seit 2011 in Koalition mit vier kleineren Parteien. Größter Herausforderer ist die Partei für Authentizität und Modernität (PAM) unter Ilyas al-Omri. Die sich als liberal und säkular bezeichnende Kraft wurde einst von Fouad Ali El Himma, einem engen Vertrauten des marokkanischen Monarchen Mohamed VI. und heutiger Schlüsselfigur im königlichen Kabinett, gegründet.

Umfragen gibt es schon seit August keine mehr. Das Innenministerium, das direkt vom Königshaus besetzt wird, hat sie verboten. Doch ein Blick auf den Wahlkampf genügt. Ministerpräsident Benkirane füllt ganze Fußballstadien, wo andere Schwierigkeiten bei größeren Sälen haben. "Und das, ohne die Teilnehmer zu bezahlen", erklärt der 62-jährige Ingenieur immer wieder.

Benkirane gibt sich als "Garant der Stabilität". Er verweist darauf, dass seine Regierung das Königreich durch die wirren Zeiten des Arabischen Frühlings geführt habe. "Wie viele Revolutionen hat es in diesen Jahren in Marokko gegeben? Wie viele Explosionen?", fragt er gerne. Außerdem verweist er auf die wirtschaftlichen und sozialen Erfolge. Hilfen für Witwen, Abfindungen beim Verlust des Arbeitsplatzes oder Stipendien für Studenten wurden erhöht. Gleichzeitig sank das Defizit.

Das Radio ruft zum Gebet

All das bezweifeln seine Gegner nicht. Sie halten Benkirane seine religiös beeinflusste Politik vor. So wurde etwa bei einer Reform des Strafrechtes das Verbot der Homosexualität und außerehelicher sexueller Beziehungen aufrechterhalten. Zudem verstärkte die Regierung die Kontrolle des öffentlichen Rundfunks. Er muss jetzt fünfmal am Tag den Ruf zum Gebet senden, zugleich nahm die Zensur heikler Inhalte zu.

Benkiranes Gegner warnen vor einer "Islamisierung Marokkos". Im Netz tauchen Videos auf, in denen Horrorszenarien ausgemalt werden. Ein sozialistischer Politiker warnt gar im Fall eines erneuten PJD-Sieges vor Entwicklungen wie in Libyen und Syrien.

Benkirane oder al-Omri – wer die Wahlen gewinnt, wird mit der Regierungsbildung beauftragt. So sieht es die 2011 mitten im Arabischen Frühling verabschiedete Verfassung vor. Zuvor konnte der König einen Premier seiner Wahl berufen. Während die PJD bei den urbanen Wählern beliebt ist und seit 2015 in den meisten Städten Bürgermeister stellt, ist die PAM auf dem Land stark. Dort hilft ihr die Nähe zum Königshaus, die ihr in den Städten eher schadet.

Unter den kleineren Parteien versucht sich vor allem die Unabhängigkeitspartei Istiqlal als Alternative anzupreisen. Sie vertrete die modernen, weltlichen und die nationalreligiösen Werte, verkündet ihr Chef, Ex-Gewerkschafter Hamid Chabat. Um Wähler aus dem Lager der PJD anzuziehen, hat er bekannte Salafisten auf die Listen genommen. Darunter einen vom König begnadigten, als Drahtzieher für ein blutiges Attentat in Casablanca verurteilten Prediger. (Reiner Wandler, 7.10.2016)