Tiflis – Bei der Parlamentswahl in der Südkaukasusrepublik Georgien steuert die Regierungspartei Georgischer Traum (GT) nach vorläufigen Ergebnissen auf einen klaren Sieg zu. Die linksliberale Partei holte nach Auszählung fast aller Stimmen 49 Prozent, wie die Wahlleitung am Sonntag in der Hauptstadt Tiflis mitteilte.

Die oppositionelle Vereinte Nationale Bewegung (VNB) lag demnach bei rund 27 Prozent. Zwar zeichnete sich ab, dass auch die prorussische Partei Allianz der Patrioten knapp den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft hat. Doch Beobachter sehen im Wahlergebnis Georgiens proeuropäischen Kurs gestärkt.

Zerrüttete Beziehungen

Die Wahl galt als richtungsweisend, weil die Ex-Sowjetrepublik am Schwarzen Meer eine Annäherung an EU und Nato anstrebt und zugleich wegen eines Krieges 2008 zerrüttete Beziehungen zu Russland hat. Ein ungelöster Streit um die von Georgien abtrünnigen Gebiete Südossetien und Abchasien hemmt den West-Kurs. Die Führung in Tiflis hofft auch auf eine baldige Aufhebung der Visumpflicht für Reisen in die EU.

Trotz des deutlichen Trends bei der Stimmauszählung können sich die Kräfteverhältnisse im Parlament noch verschieben. Von 150 Sitzen werden 77 per Listenwahl vergeben. Die übrigen 73 sind Direktmandate, zu denen zunächst keine Zahlen vorlagen. Der Wahlleitung rechnete mit einer Stichwahl in vielen Wahlkreisen. Ein Termin stand nicht fest.

"Die Vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass die überwältigende Mehrheit unsere Partei unterstützt", meinte Irakli Kobachidse, ranghoher GT-Funktionär. Der Milliardär Bidsina Iwanischwili hatte die Partei 2012 gegründet. Kritiker werfen der aktuellen Parteispitze vor, Marionetten Iwanischwilis zu sein.

Schlechter Ruf

Der Expertin Julia Bläsius zufolge erklärt sich der Vorsprung für GT teils damit, dass VNB noch immer einen schlechten Ruf hat in weiten Teilen der Bevölkerung. Die Partei habe sich nicht genügend von Ex-Präsident Micheil Saakaschwili distanziert, sagte die Chefin der Friedrich Ebert Stiftung in Tiflis der Deutschen Presse-Agentur.

Saakaschwili wird wegen Amtsmissbrauchs per Haftbefehl gesucht und lebt in der Ukraine. In den Wahlkampf hatte er sich aus der Ferne eingeschaltet. "Es kann sein, dass Saakaschwilis Einmischung der VNB eher geschadet als genutzt hat", meinte Bläsius.

"Freie und faire Wahl"

Dutzende VNB-Anhänger protestierten in der Nacht vor der Wahlbehörde. Sie forderten eine Auszählung ohne Betrug. Regierungschef Giorgi Kwirikaschwili sagte indes: "Dies war eine wirklich freie und faire Wahl, die Georgiens Demokratie untermauert."

Die Stimmung im Wahlkampf war aufgeheizt. Vereinzelt gab es Attacken auf Kandidaten, die Parteien warfen sich Provokationen vor. Auch am Wahltag gab einzelne gewalttätige Zwischenfälle vor Wahlbüros.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprach von nicht hinnehmbaren Vorfällen, die aber der ansonsten positiven Wahl nicht geschadet hätten. "Georgien hat seinen Status als Anführer einer demokratischen Transformation in dieser Region bekräftigt", teilte die OSZE mit.

An der Wahl nahmen 52 Prozent der 3,5 Millionen Berechtigten teil und damit weniger als 2012 (62 Prozent). Die Wahl 2012 hatte zum ersten friedlichen Machtwechsel seit der Unabhängigkeit 1991 geführt. (APA, 9.10.2016)