Die Werkstattleitung, Helmut Schabschneider (li.) und Nazanin Mehraein (2.v.li.), mit zwei freiwilligen Möbelmachern aus Afghanistan.

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Wien – Im Wiener Flüchtlingsquartier Erdberg stößt man auf überraschende Sinneseindrücke: Es riecht nach frischem Holz, Sägelärm ist zu hören, eine Bohrmaschine heult kurz auf. Der Grund: Asylwerber bauen hier Tische, Sitzgelegenheiten oder Küchenmobiliar für Gemeinschaftsräume der Unterkunft. Möglich macht dies ein Sozialprojekt, das am Montag Medienvertretern präsentiert wurde.

Geleitet wird die Werkstatt an diesem Tag von Nazanin Mehraein, die als Schauspielerin in Persien auch schon Kulissen gebaut hat, und Helmut Schabschneider, der als Ingenieur über die Freiwilligenarbeit zu den Möbelmachern gestoßen ist. An die 200 Flüchtlinge haben sich in der Werkstatt bereits engagiert.

Rund 600 Menschen leben derzeit in der früheren Zollamtsschule, die nun von der Caritas und dem Samariterbund im Auftrag des Fonds Soziales Wien als Flüchtlingsquartier betrieben wird. "Viele Menschen warten lange auf ihren Asylbescheid. Deshalb ist es wichtig, die Leute zu beschäftigen, ihre Talente zu fördern, ihnen Alltagsstruktur zu bieten", erklärte Hausleiterin Irmgard Joo. Das "Social Furniture"-Projekt ist einer jener Versuche, sinnvolle Beschäftigung in der Einrichtung zu etablieren – nicht zuletzt als Integrationsbeitrag.

Auch in der Küchen herrscht das Design des Social-Furniture-Projektes.
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Beitrag der Architektur-Biennale in Venedig

Die Idee: Bewohner bauen Einrichtungsteile, die dann an verschiedenen Stellen des Hauses von allen benutzt werden können. Konzipiert hat den Vorstoß das Designbüro EOOS als Beitrag zur heurigen Architektur-Biennale in Venedig. 18 Möbeltypen, die recht simpel getischlert werden können, hat das Team entworfen. Seit Jänner gibt es die Werkstatt. "Mehr als 100 Bewohner haben hier schon gearbeitet", erzählte Harald Gründl von EOOS. 300 Möbel sind schon fertig, weitere 500 gerade in Arbeit. Die Baupläne sind für unkommerzielle Zwecke auch gratis downloadbar.

Als Werkstoff dienen die bekannten "Doka"-Schalungsplatten, die das Mutterunternehmen Umdasch kostenlos zur Verfügung stellt, wie Vorstandsvorsitzender Andreas Ludwig sagte. Bis Jahresende sollen rund 2.200 Quadratmeter der knallgelben Holzplatten zu Tischen, Hockern, Arbeitsflächen oder Einfassungen für Herde verarbeitet werden. Der Grund, warum die Möbel hauptsächlich in den Gemeinschaftsküchen zum Einsatz kommen: Man wolle den Bewohnern ein Maß an Selbstständigkeit zurückgeben und ihnen ermöglichen, für sich und die Familie selbst zu kochen, so Gründl. Es gibt aber auch Garderoben, Ping-Pong-Tische oder Mobiliar für einen improvisierten Friseursalon, den der Iraker Hadi Marzaei im Quartier betreibt.

Und im internen Friseursalon erfüllen die gelben Schalungsplatten ebenfalls ihren Zweck.
Foto: APA/Pfarrhofer

Sozialtherapeutisches Taschengeld

Entlohnt werden die Werkstattmitarbeiter mit 3,5 bis 5 Euro pro Stunde. Das Geld firmiert unter "sozialtherapeutisches Taschengeld", weil die Bezahlung von Arbeit für Flüchtlinge rechtlich nicht allzu einfach ist. Genau das kritisierte der Wiener Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner. Klar, man müsse hier behutsam umgehen, aber "mir tut fast weh, wie hier derzeit diskutiert wird", verwies er auf die politische Debatte um Ein-Euro-Jobs in Zusammenhang mit gemeinnütziger Arbeit. Er forderte, den Arbeitsmarkt für Asylwerber nach sechs Monaten stufenweise zu öffnen. (APA, simo, 10.10. 2016)