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Fabriken, die die Regierung als Orte des Fortschritts sieht, gelten den Demonstranten als Symbol der Enteignung. Sie werden zum Ziel.

Foto: REUTERS/Tiksa Negeri

Addis Abeba / Wien – Sechs Monate Ausnahmezustand sollen das angebliche Erfolgsmodell nun retten. Doch ob die eiligen Maßnahmen der äthiopischen Regierung wirklich helfen werden, die Proteste in den Regionen Oromia und Amhara in den Griff zu bekommen, das erschien am Montag noch äußerst fraglich. Zu groß ist der Ärger über die von oben verordnete schnelle Entwicklung – und über das harte Durchgreifen der Sicherheitskräfte, mit dem Addis Abeba seine Kontrolle über die Regionen behalten will.

Seit fast einem Jahr geht Äthiopiens autoritäre Führung nun gegen Demonstrationen in den beiden Regionen vor. Rund 500 Menschen sollen beim harten Durchgreifen bisher getötet worden sein. Anfangs war es noch um Widerstand gegen einen konkreten Plan gegangen: Das Vorhaben, die Hauptstadtregion Addis Abeba in die umliegende Provinz Oromia zu erweitern – und dafür die bisherigen Landbesitzer zu enteignen. Doch der Ärger hielt auch nach einem Rückzieher der Regierung an. Immer wieder werden Fabriken und Infrastruktur, die als Symbol der autoritären Strukturentwicklungspläne unter Premier Hailemariam Desaslegn gelten, zum Ziel.

Freilich stehen im Hintergrund auch alte Wunden aus dem Bürgerkrieg, die nun von der harten Hand aus Addis wieder aufgerissen wurden. Die seit den frühen 90er-Jahren zunehmend autoritär regierende Revolutionäre Demokratische Front der Äthiopischen Völker (EPRDF) wird von einer Minderheit aus der Region Tigray bestimmt, die nur rund sechs Prozent der Bevölkerung ausmacht. Sie hatte einst auch mit dem Versprechen Macht gewonnen, zwischen der lang strukturell benachteiligten Bevölkerungsmehrheit aus Oromia (34 Prozent) und der einst bestimmenden Provinz Amhara (27 Prozent) zu vermitteln.

Dass nun sogar berichtet wird, die Protestbewegungen in beiden Provinzen hätten sich miteinander vernetzt, muss bei der Regierung nun die Alarmglocken klingeln lassen. Das Land, das als wichtiger Verbündeter des Westens gilt, hat bisher nicht mit Reformen der Entwicklungspolitik reagiert, die immerhin für massives Wirtschaftswachstum gesorgt hat, sondern mit Repression. Montag folgten neue Anschuldigungen gegen das Ausland: "Verschiedene Kräfte" aus dem verfeindeten Eritrea, aber auch aus Ägypten (mit dem Äthiopien über die Errichtung eines Nil-Staudamms streitet) hätten die Proteste ausgelöst. (Manuel Escher, 10.10.2016)