Wien – Sein Ruf als Wundervirtuose mit Individualzügen ist Daniil Trifonov längst sicher. Nun gastierte er im Konzerthaus und hatte zwar für die anschließende Signierstunde seine neue Liszt-CD Transzendental mit im Gepäck, zeigte sich jedoch in seinem Recital von verschiedenen anderen Seiten. Wäre schon das nicht mehr alltäglich – dass nämlich das Konzert eines Stars über eine Verkaufsshow hinausgeht -, so bot der 25-Jährige künstlerisch Verblüffendes. Seine äußere Erscheinung (wirres Haar und seit kurzem auch noch Hipsterbart) korreliert mit dem originellen Zuschnitt seiner Interpretationen voller Eigensinn, wobei das Eigene Sinn ergibt.

Extrem zugespitzt schon Schumanns Kinderszenen, sei es langsam-bedächtig und so wattig-sanft, wie es nur auf dem von Trifonov gewünschten Bösendorfer-Flügel möglich ist. Anschließend spielte er die fingerbrecherische Toccata mit rauschender Energie – und vertiefte sich in die Kreisleriana auf geradezu unerhörte Weise. Auch hier realisierte er Extreme (und zwar jene, die Schumann – etwa mit "äußerst bewegt"- vorschreibt) und verkörperte geradezu die diabolische Verrücktheit der acht Fantasiestücke, ihre zarte Innigkeit ebenso wie ihre versponnene, ziellose Bewegtheit.

Erst bei den Zugaben schlug er den Bogen zurück zum 19. Jahrhundert – mit Liszt, nämlich der delikat plätschernden Des-Dur-Etüde Un sospiro und einer fulminanten Rarität, Nikolai Medtners Campanella. Im zweiten Teil zeigte er sich als Verfechter der russischen Moderne – zunächst mit einigen Präludien und Fugen von Schostakowitsch, bei denen er ihre Vertracktheit und Überdrehtheit hervorkehrte, und dann mit einem Auszug aus Strawinskys Feuervogel.

Hier verband er orchestrales Rauschen mit einer perkussiven Kraftentfaltung, die die Grenzen des Flügels fast sprengte, und zeigte Verblüffendes. Etwa dass es im Finale ähnlich ametrisch gegen den Takt gesetzte Bässe gibt wie in Kreisleriana. Trifonov ist ein Künstler, der (ähnlich subjektiv wie der junge Glenn Gould) ans Geniale anstreift. (daen, 12.10.2016)