Wien – Ins Zentrum der vielen markanten Musikmomente, die er dem Auditorium über die Jahrzehnte beschert hat, also auf die Bühne des Goldenen Saals, dorthin kehrt Georges Prêtre fragil in kleinen Schrittchen und gestützt auf einen Stock zurück. Aber der charmante Individualist unter den großen Dirigenten kehrt zurück, und es umgibt ihn nach wie vor diese spezielle schelmische Verspieltheit, auf die zu hoffen, allerdings nicht mit Sicherheit zu rechnen war.

Prêtre ist am 15. August 92 geworden. Davor hatte ihn ein Sturz zur Absage aller Termine gezwungen. Er hat sich allerdings von den Bruchfolgen erholt und trifft also die Wiener Symphoniker, deren Chefdirigent er einst war, zu einem besonderen Abend, an dem auch Pianist Rudolf Buchbinder profund mitwirkt.

Der Franzose muss natürlich mit seinen Kräften haushalten: Nach einer gravitätischen, langsam zelebrierten Egmont-Ouverüre von Beethoven leitet denn auch Buchbinder die Symphoniker und sich selbst durch das erste Klavierkonzert des Klassikers. Von glockenheller, heiterer Diktion ist Buchbinders Spiel; es schöpft Charme aus Klarheit, Leichtigkeit und Sanglichkeit.

Nach der Pause kommt Prêtre, übergibt den Stock dem Konzertmeister und demonstriert mit der Fledermaus-Ouvertüre seine Gabe, melodische Zeit fast bis zum Stillstand zu entschleunigen, um das gewisse poetische Etwas herbeizuzaubern und dabei doch die Architektur des Ganzen intakt zu halten. Wie einst, besonders bei seinem zweiten Neujahrskonzert (2010), wirkt da vieles magisch – mithilfe der Symphoniker ein besonderer Augenblick.

Prêtres Gabe, den tönend bewegten Ausdruck durch Mimik und Gestik einzigartig zu vermitteln, ist auch bei der Barcarole aus Hoffmanns Erzählungen und beim Bolero zu studieren. Wie auch bei der Zugabe, Offenbachs Cancan, dem Ovationen für einen Maestro folgten, der wiederkommen möge. Er muss auch nicht mehr als ein Stück dirigieren! (Ljubiša Tošić, 12.10.2016)