Bei der Teilqualifizierung lernt man Teile eines Berufsfelds: Beim Beruf des Kochs würde man sich beispielsweise darauf spezialisieren, Suppen zuzubereiten.

Foto: Standard/Corn

Valentin Warmuth ist der Inbegriff eines umgänglichen Kerls. Seine Freunde schätzen seinen Humor und seine Hilfsbereitschaft, er interessiert sich für politische Entwicklungen und Musik. Nur in der Schule hatte er nie besonders gute Noten. Er hat oft Schule gewechselt und ist schließlich auf der Sonderschule gelandet, wo er mit 15 Jahren seinen Abschluss gemacht hat. Danach hat er zuerst keine Lehrstelle oder Arbeit gefunden, bis er schließlich über Bekannte von einer speziellen Ausbildung erfahren hat: von der Möglichkeit, statt einer regulären Lehrlingsausbildung nur eine Teilqualifizierung zu erlangen.

Viele gelten als "schwer vermittelbar"

Es geht dabei darum, statt einer vollständigen Lehrausbildung lediglich Teile eines Berufsfelds zu erlernen: Beim Beruf des Kochs würde man sich beispielsweise darauf spezialisieren, Suppen zuzubereiten, bei der Automechanik etwa darauf, Reifen zu wuchten. Daneben gibt es noch die Möglichkeit, eine verlängerte Lehre zu beginnen. Diese enthält denselben Stoff wie eine reguläre Lehrlingsausbildung, kann allerdings um bis zu zwei Jahre länger dauern. Nach Auskunft des Sozialministeriumsservice haben 2015 österreichweit 6.960 Jugendliche diese Formen der Ausbildung abgeschlossen, wobei gut 70 Prozent davon eine verlängerte Lehre absolvierten.

Für beide Ausbildungsformate sind diejenigen Jugendlichen Zielgruppe, die am Arbeitsmarkt als schwer vermittelbar gelten und ansonsten keine Chance am Lehrstellenmarkt hätten: etwa weil sie eine Behinderung oder sonderpädagogischen Förderbedarf haben. Aber auch diejenigen mit einem negativen Hauptschulabschluss sollen angesprochen werden. Sowohl bei der Teilqualifikation als auch der verlängerten Lehre werden die Jugendlichen durch die "Berufsausbildungsassistenz" bis zum Abschluss begleitet. Dabei geht es um Unterstützung bei Förderansuchen, Organisation von Lernhilfen oder regelmäßigen Kontakt zu Betrieb oder Berufsschule.

Potenziale ausschöpfen

Wolfgang Sperl ist Geschäftsführer von Wienwork, einem sogenannten integrativen Betrieb, der insgesamt 650 Menschen beschäftigt, von denen die meisten eine Behinderung haben oder langzeitarbeitslos waren. Darunter sind ungefähr 170 Jugendliche, die ausgebildet werden. Die Hintergründe der Jugendlichen sind vielfältig, auf sie alle trifft jedoch zu, dass sie entweder sonderpädagogischen Förderbedarf haben oder mit einer Lernbehinderung leben. "Manche kommen auch aus schwierigen familiären Hintergründen und haben Erfahrungen mit betreutem Wohnen oder wurden von ihren Eltern nie richtig gefördert und haben dadurch eine intellektuelle Beeinträchtigung", sagt Sperl.

Zwischen 30 und 35 Abgänger, also Jugendliche mit Lehrabschluss oder abgeschlossener Teilqualifizierung, beschäftigt Wienwork jährlich. "Gut die Hälfte bis zu zwei Drittel können wir direkt in Arbeitsplätze vermitteln, mit dem Rest halten wir meist Kontakt und versuchen in der Nachbetreuung, eine Beschäftigung zu finden", erzählt Sperl. Manchmal ergebe sich auch eine Anstellung, die nicht auf das erlernte Berufsfeld zutrifft.

Fehlende Anerkennung

Valentin Warmuth hat so eine Teilqualifizierung erworben: Drei Jahre lang wohnte der Klagenfurter in einem Internat in der Nähe von Villach und lernte in einem Betrieb der Diakonie im Bereich der Gärtnerei. Im Juli 2015 bestand er seine Abschlussprüfung, seither ist der 20-Jährige arbeitslos. "Die Ausbildung ist überhaupt nicht bekannt beziehungsweise anerkannt", berichtet Warmuth über seine bisherigen Erfahrungen bei Bewerbungen. "Niemand, der einen Betrieb hat, weiß, was es genau ist." Frage der Chef dann, ob das eine Lehre sei, müsse er verneinen, "und das ist dann gleichbedeutend mit: keine Ausbildung", erzählt Warmuth, der eigentlich ein Abschlusszeugnis von einem unabhängigen Prüfer vorweisen kann.

Grundsätzlich habe er sehr gute Erfahrungen mit dieser Art der Berufsausbildung gemacht, sagt Markus Neuherz, Geschäftsführer des Dachverbands für berufliche Integration (Dabei Austria), zu dem auch Wienwork gehört. "Natürlich gibt es immer wieder Lehrlinge, bei denen es nicht klappt." Das Ziel der Mitglieder von Dabei Austria ist, die Jugendlichen am regulären Arbeitsmarkt unterzubringen. Die Aussichten derjenigen, die eine verlängerte Lehre absolvieren, sind jedoch besser, was auch daran liegt, dass diese öfter direkt in einem Betrieb angeboten wird. Wenn die Betriebe die Jugendlichen kennen, sei das Risiko geringer, dass sie auf dem zweiten oder dritten Arbeitsmarkt landen, so Neuherz.

In überbetrieblichen Lehrwerkstätten sei zwar der Fokus auf den Lehr- und Ausbildungsplan meist gut, aber den Jugendlichen fehlt die Erfahrung eines regulären Arbeitsalltags, sagt Neuherz: "In einem Team haben die Jugendlichen das Gefühl: Ich werde gebraucht." Der Prestigegewinn sei ungleich höher und das Selbstwertgefühl in der Regel auch.

Kaum Perspektiven

Eigentlich hat Warmuth die Ausbildung an sich "schon getaugt", er würde auch gern in diesem Bereich weiterarbeiten. Wobei die Internatsregeln ziemlich streng waren und der Lohn sehr niedrig: Vorgesehen waren neben Unterkunft und Verpflegung 200 Euro im Monat, die er allerdings erst im dritten und letzten Lehrjahr vollständig erhielt. "Davor entschieden die Chefs, welchen Prozentsatz des Betrags sie für richtig hielten", erzählt Warmuth.

Dass die Lohnsituation bei diesen Lehrlingen oft einer relativ freien Vereinbarung unterliege, könne man natürlich diskutieren, sagt Markus Neuherz von Dabei Austria. "Aber die andere Seite der Medaille wäre, dass diese Jugendlichen dann keine Lehrstelle hätten, sondern die Alternative im schlimmsten Fall eine Beschäftigung im Rahmen einer Tagesstruktur wäre." Vorgesehen wäre allerdings laut Arbeiterkammer bei einer integrativen Berufsausbildung in Lehrbetrieben die Entlohnung nach jeweils zutreffendem Kollektivvertrag, in einer Ausbildungseinrichtung wird die Höhe der "Ausbildungshilfe" vom AMS festgelegt. In der Praxis sei es oft so, dass die Betriebe sich an die reguläre Lehrlingsentschädigung des ersten Lehrjahres anlehnen, sagt Neuherz: "Und das wird dann meistens bis zum Ende der Teilqualifizierung durchgezogen."

Für Warmuth gehört das alles aber sowieso der Vergangenheit an. Da er bisher keinen Job finden konnte, probiert er sein Glück jetzt in Portugal. Zuerst wollte er im Rahmen des europäischen Freiwilligendienstes arbeiten, aber das klappte nicht. Über Bekannte hat er dort jetzt Aussicht auf eine Stelle im Callcenter. (Vanessa Gaigg, 17.10.2016)