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Hippe Cafés, plumpe Wolkenkratzer, blitzsaubere Straßen, lebendige Backsteinhaus-Tradition: Zu Fuß unterwegs durch Toronto fällt das Filtern der vielen Reize nicht leicht. Kanadas größte Stadt pulsiert. Und sie ist frisch verliebt: in ihre Basketballer. Die Toronto Raptors sind der einzige Vertreter Kanadas in der nordamerikanischen Profiliga NBA, und sie sind erfolgreich. Nur die Liebe für den jüngsten Spieler im Kader ist noch nicht so stark ausgeprägt: Jakob Pöltl, erster Österreicher in der NBA, arbeitet mit 21 Jahren auf seine Premierensaison hin.

Kapitel 1: Toronto und die Raptors, eine kanadische Liebesgeschichte.

Downtown Toronto: Die Innenstadt gleicht einem Schachbrett. Verlaufen kann man sich hier nicht. Die Raptors haben zum öffentlichen Training geladen. Menschenschlangen vor den Eingängen zur Heimhalle, dem Air Canada Center. Pöltl? "Ich habe von ihm noch nicht viel gehört. Für einen Rookie ist die erste Saison immer schwer. Er wird Zeit brauchen, um sich zu etablieren", sagt Andrew Johnson, 28, Klobrillenbart, mit einem Raptors-Kapperl auf dem Kopf. Im Fanshop hängen keine Pöltl-Dressen in der Auslage.

Bereits mehrere tausend Zuschauer verfolgen das Training. Am lautesten ist es immer dann, wenn Gratis-T-Shirts auf die Ränge geworfen werden. Ein Dutzend Trainer betreut das Team, da sind die zahlreichen Helfer noch nicht eingerechnet, die nur durch die Gegend fliegende Bälle aufklauben.

Bei der Mannschaftsvorstellung gibt es verhaltenen Applaus für Pöltl. In der vergangenen Saison scheiterte Toronto erst im Halbfinale am späteren Meister, den Cleveland Cavaliers. Es ist der größte Erfolg in der erst 21-jährigen Vereinsgeschichte.

Es geht bergauf: die Performance der Toronto Raptors hat sich in der vergangenen Saison stetig verbessert. 2015/16 stand vor dem Playoff eine Siegquote von 68,3 Prozent zu Buche.
Kanada stellt mit 32 Spielern die meisten Legionäre in der NBA-Historie. Aus Europa sind Serbien (25) und Frankreich (23) traditionell stark vertreten. Auch präsent: Australien mit 20 Spielern.

Nationalsport in Kanada ist Eishockey. Aber das ist kein gutes Gesprächsthema in Toronto. Das lokale NHL-Team, die Maple Leafs, ist chronisch erfolglos. Die alteingesessene Fanbasis bricht weg, im Publikum fädeln sich immer mehr Anzugträger und Touristen auf.

Paradox: Nirgendwo sind die Matchtickets teurer. "Die Maple Leafs sind ein Verein der Konzerne. Es herrscht keine Stimmung in der Halle. Sie machen alles falsch", sagt Mark Rhys. Der 48-jährige Versicherungsvertreter schaut sich mit seiner Tochter lieber gelegentlich Raptors-Spiele an. "Da bebt die Halle immer." Aber auch beim Basketball sind die Preise geschmalzen. Eine durchschnittliche Saisonkarte kostet 7.000 Dollar, ein Playoffspiel schon mal 500.

Ein geduldiger Präsident

Sport ist in Nordamerika mehr denn je Business. "Ich kann mir einen Matchbesuch mit meiner Familie nur dreimal im Jahr leisten", sagt Rhys. Im Einzugsgebiet von Toronto leben sechs Millionen Menschen, das Publikum ist durchmischt wie die Kulturen. Aber anders als im Eishockey ist der Erfolg Fluch und Segen zugleich. "Wenn die Raptors heuer wieder so toll spielen, werden die Tickets noch teurer."

Jakob Pöltl wurde von den Raptors an neunter Stelle im NBA-Draft ausgewählt. Man bemüht sich vonseiten des Vereins, nicht zu hohe Erwartungen an den 2,13 Meter großen Wiener zu stellen. "Ich bin beeindruckt von ihm. Für seine Größe hat er eine unheimlich gute Stabilität in seinen Bewegungsabläufen, und er läuft sehr schnell. Aber in der NBA brauchst du Zeit", sagt Masai Ujiri, der Präsident der Raptors, zum STANDARD.

Masai Ujiri, Präsident der Toronto Raptors, über Jakob Pöltl: "Für seine Größe hat er eine gute Stabilität in den Bewegungsabläufen. In der NBA brauchst du Zeit."
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Großer, schwerer Brocken: Mit einem Gewicht von 108 Kilogramm und einer Körpergröße von 2,13 Meter fällt Jakob Pöltl auch in der NBA auf. Zwölf Spieler im Kader überragen zwei Meter.

Eine Handvoll Spiele absolviert Toronto in der Saisonvorbereitung. Da sind die Ergebnisse zwar wurscht, der Kampf um einen der begehrten Plätze im Zwölf-Mann-Kader ist freilich intensiv. Pöltl hat bisher einen guten Eindruck hinterlassen.

Seine beste Leistung lieferte er gegen die Denver Nuggets mit zehn Punkten und sechs Rebounds ab. Beim 119:94 gegen NBA-Champion Cleveland war er im letzten Viertel dabei, Pöltl warf vier Punkte, holte zwei Rebounds.

Ein nigelnagelneues Trainingszentrum

Wechsel der Szenerie: Das Trainingszentrum der Raptors ist ein um 30 Millionen Dollar errichteter Containerkasten an der Hafenfront, nur wenige Kilometer außerhalb der Innenstadt, die Uferpromenade am Ontariosee nur wenige Gehminuten entfernt. "Wir haben nur einmal am Tag Training. Aber das zieht sich. Vor dem zweistündigen Teamtraining gehe ich in die Kraftkammer oder habe Individualbetreuung. Danach ist noch Wurftraining", sagt Pöltl.

Das Trainingszentrum verfügt über zwei Spielfelder, mehrere Korbanlagen, Kraft- und Regenerationsräume, Küche und Speisesaal. Dort bekommt die Mannschaft auch jeden Tag Frühstück und Mittagessen. Die Auswärtsreisen werden im teameigenen Flieger absolviert.

Fünf Kilometer oder acht Minuten mit dem Auto trennen die Raptors-Heimspielstätte Air Canada Centre vom Bio Steel Centre, dem im Februar eröffneten Trainingsareal an der Hafenfront.

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Der Star ist nicht die Mannschaft, der Star ist DeMar DeRozan. Im August gewann der Flügelspieler in Rio de Janeiro mit den USA olympisches Gold.
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Aushängeschild der Raptors ist DeMar DeRozan. Der 27-jährige Flügelspieler unterschrieb im Juli einen Fünfjahresvertrag über 139 Millionen Dollar. Er beschwört den Respekt auch gegenüber unerfahrenen Mitspielern wie Pöltl. "Jakob ist sehr talentiert. Wenn er auf dem Feld das Richtige macht, dann wird er von mir auch den Ball bekommen", sagt DeRozan zum STANDARD.

Toronto ist für Pöltl "lässig", nur die Verkehrsstaus sind ausufernd. Es gibt zwar Tramlinien und eine U-Bahn, der typische Kanadier lebt aber nicht weniger den Traum vom vorörtlichen Eigenheim als der Amerikaner. Also rein und raus aus der Stadt per Auto.

Eine zentral gelegene Wohnung

Pöltl hat eine relativ zentral gelegene Wohnung gemietet. Das heißt, in der Früh geht's stadtauswärts zum Training, am Abend wieder in die City. Pöltl ist noch autolos, fährt mit dem Internet-Fahrvermittler Uber. "Nicht immer ganz zuverlässig, aber ich schaffe es pünktlich zum Training."

Am 26. Oktober fängt die NBA für Toronto daheim gegen Detroit an. Wie er die letzten Monate im Kopf verarbeitet hat? Pöltl: "Du hast keine Zeit, viel nachzudenken. Es ist ein cooles, anstrengendes Leben. Ich kann mich nicht beschweren. Alles zusammen ist es ein sehr geiles Gesamtpaket."

Mit der NBA ist aus österreichischer Sicht der letzte weiße Fleck in den vier großen US-Profiligen getilgt. Zuvor kamen schon Österreicher in der NHL, der NFL und – man höre und staune – in der MLB, der Major League Baseball zum Einsatz. Ein Überblick.

STANDARD: Ihre erste NBA-Saison naht. Jedes Training ist ein Vorstellungstermin. Wie reagiert ihr Körper auf die gesteigerte Intensität?

Pöltl: Es ist anstrengend, aber ich komme ganz gut durch. Wir haben nur ein Training pro Tag. Aber das zieht sich. Vor dem zweistündigen Teamtraining steht Kraft- und Individualtraining an. Danach gibt es noch Wurftraining.

Kapitel 2: Jakob Pöltl und die Raptors, ein intensives Kennenlernen.

STANDARD: Wie sieht der Alltag in der NBA aus?

Pöltl: Es ist alles sehr eng getaktet. Gefrühstückt wird im Trainingszentrum. Nach dem Training gibt es dort auch ein gemeinsames Mittagessen. Wir haben einen eigenen Koch, das Essen ist sehr gesund. Danach springe ich manchmal in ein Eisbad. Am Abend gibt es manchmal noch Termine mit Sponsoren. Wir sind viel unterwegs, das Reisen kostet fast am meisten Kraft.

STANDARD: Gibt es Dinge, die Sie selbst entscheiden können?

Pöltl: Jein. Ich kann mit meinem Coach ausmachen, wie ich meinen Nachmittag gestalte. Ob ich nur einmal am Tag trainiere oder noch eine zweite Einheit absolviere.

STANDARD: Wo liegt Ihr Fokus im Training?

Pöltl: Ich muss die neuen Spielsysteme in meinen Kopf reinbekommen. Dass ich in der Offensive nicht der Hauptdarsteller sein werde, ist mir schnell klargeworden. Wenn ich mal einen Pass bekomme oder eine zweite Chance am Rebound, dann freut mich das. Ich muss mich in Positionen bewegen, wo ich unsere besten Werfer entlasten kann.

Jakob Pöltl mit dem im Profisport gebotenen Realismus: "Dass ich in der Offensive nicht der Hauptdarsteller sein werde, ist mir schnell klargeworden."
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Jakob Pöltl stellt sich vor den Spielen der Summer League in der Sendung "NBA Rooks" vor: "College is over and you've got to start at the bottom again. You've got to work your way up."
NBA

STANDARD: Sie haben sichtbar das eine oder andere Kilo Muskelmasse zugelegt.

Pöltl: Das Krafttraining ist nicht unglaublich hart. Aber weil es täglich stattfindet, geht schon was weiter.

STANDARD: Wie stark spüren Sie den spielerischen Unterschied im Vergleich zum College-Basketball?

Pöltl: Ich muss jeden Tag alles geben, was ich habe. Am College konnte ich mir auch einmal ein schlechteres Training erlauben. In der NBA können nur die arrivierten Spieler einmal einen Gang zurückschalten.

STANDARD: Der Konkurrenzkampf ist hart. Bleibt da Platz für Harmonie im Team?

Pöltl: Wir sind eine sehr junge Mannschaft. Ich verstehe mich auch mit unseren Führungsspielern. Es gibt keine Grüppchenbildung. Aber hin und wieder bekommst du als Rookie dein Fett ab. Mit Pascal Siakam verbringe ich am meisten Zeit. Als Rookies haben wir auch Aufgaben zu erledigen. Wir müssen schauen, dass ein Shampoo da ist bei Auswärtspartien. Oder dass jeder Spieler ein Handtuch hat. Und manchmal müssen wir Donuts mitbringen.

STANDARD: Wie verstehen Sie sich mit Headcoach Dwane Casey?

Pöltl: Gut. Es ist aber nicht unbedingt eine persönliche Beziehung. Er ist der Koordinator, hat den Überblick. Bei den Übungen in Kleingruppe und bei der Videoanalyse habe ich mehr Kontakt zu den Assistenz-Coaches.

STANDARD: Und wie sieht die ärztliche Betreuung aus?

Pöltl: Ich habe immer einen Physiotherapeuten zur Verfügung. Nach dem Training nehme ich manchmal ein Eisbad oder lasse mich massieren. Aber noch brauche ich das nicht so dringend. Ich bin ja noch jung.

STANDARD: Sie haben einen gut dotierten Vertrag unterschrieben. Leben Sie jetzt auf großem Fuß?

Pöltl: Nein. Ich lebe genauso, wie ich vorher gelebt habe. Nur dass ich jetzt halt eine eigene Mietwohnung habe in Toronto. Ich habe noch nicht einmal ein Auto. Und ich brauche sicher keinen Ferrari.

Home, sweet home. Ein Blick in das Air Canada Centre von Toronto. Die 1999 eröffnete Halle bietet 19.800 Zuschauern Platz. Neben den Raptors spielen hier auch die Maple Leafs (Eishockey) und Rock (Lacrosse). Musikkonzerte gibt es zum Drüberstreuen.
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Manchmal hat man im Leben auch Pech. Bei strahlendem Sonnenschein sind auf Torontos Straßen schon seit dem frühen Morgen nur mehr die Blue Jays das große Thema. Torontos Baseball-Team rauft mit den Cleveland Indians um den Einzug in die World Series. Kanada und Baseball? Ja, wirklich!

Kapitel 3: Die Raptors und San Lorenzo, ein Vorbereitungsspiel zum Austoben.

Nein, das Air Canada Center ist beim Vorbereitungspiel der Raptors gegen San Lorenzo de Almagro nicht gerade zahlreich besucht. Für Pöltl kommt das Match gegen den argentinischen Meister aber einem Glücksfall gleich. Endlich darf er sich nach Lust und Laune auf dem Parkett austoben, Endstand 122 zu 105 für die Raptors.

Und das obwohl die ersten Minuten ganz klar im Zeichen der Südamerikaner stehen. Raptors-Coach Dwane Casey stellt die erste Fünf erst gar nicht auf. Stattdessen laufen Drew Crawford, Fred VanVleet, Norman Powell, Pascal Siakam und Lucas Nogueira für Toronto auf. San Lorenzo geht flott 12:8 in Führung, variiert das Spiel, wie es sich gehört. Einmal wird furchtlos zum Korb gezogen, ein anderes Mal der freie Mann an der Dreierlinie gefunden.

Toronto hat zunächst nur die Brechstange zur Hand. eine Vielzahl eigensinniger Aktionen endet im Ballverlust. Wechsel bitte: Nach sieben Minuten kommt Pöltl ins Spiel. Und gefällt sofort. Nach einem Assist zum Aufwärmen bekommt der 21-Jährige zu seinem Geburtstag gleich einen Pass unter den Korb serviert – und stopft den Ball weg.

Jakob Pöltl wird freigespielt und bedunkt sich. Gegen Argentiniens Meister San Lorenzo erzielt er 12 Punkte und sagt: "Das war kein leichtes Spiel heute."
Ximo Pierto
Trainer Dwane Casey lässt sich vom Sieg gegen San Lorenzo nicht täuschen: "Ich habe heute keine Defense gesehen. Das war wilder Cowboy-Basketball."
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Mit einem soliden Hook-Shot fallen die nächsten Punkte. Pöltl bemüht sich, dem Publikum eine Show zu bieten. Mit einem einhändigen Slam Dunk baut er den Vorsprung im zweiten Viertel auf 42:30 aus. Es läuft.

Nach einer kreativen Pausen im dritten Viertel – zwei schnelle Punkte, ein versemmelter Distanzwurf – folgt im letzten Abschnitt wieder ein Highlight: Der Youngster zieht mit Schwung zum Korb, holt sich ein Foul ab und trifft auch noch. Einziger Schönheitsfehler: der verworfene Freiwurf.

Zwölf Punkte, zwei Assists, sechs Rebounds

Am Ende stehen 24 Minuten Spielzeit, 12 Punkte, zwei Assists und sechs Rebounds auf des Rookies Habenseite. Pöltl ist mit seiner Leistung zufrieden: "Das war kein leichtes Spiel heute, unser Gegner hat extrem schnell den Abschluss gesucht." Auch Trainer Casey hält mit Lob nicht zurück: "Ich bin von Jakob überzeugt. Weil er die richtige Einstellung hat, immer alles gibt und schnell lernt. Er wird lange in dieser Liga bestehen."

Mit dem Spiel selbst ist der Coach allerdings weit weniger zufrieden, Sieg hin oder her: "Ich habe heute keine Defense gesehen. Das war wilder Cowboy-Basketball."

Die Toronto Raptors setzten 2015 163 Millionen US-Dollar um. Damit stehen sie unter 30 Mannschaften auf Rang 13. Die beiden größten Marken im Geschäft sind die New York Knicks und die Los Angeles Lakers, dementsprechend auch der Umsatz von über 300 Millionen.

In den von der Klimaanlage eisgekühlten Katakomben des Air Canada Center kratzt sich Jeff Weltman an der Stirn. "Das Ziel ist, Titel zu gewinnen und dafür so wenig wie möglich Geld auszugeben", sagt der General Manager der Toronto Raptors.

Kapitel 4: Die Raptors und das große Geschäft, die NBA als Global Player.

Es ist eine höfliche Formulierung für das, was sich in amerikanischem Profisport abspielt. Besonders in der NBA. Dort herrscht Goldgräberstimmung. Die Liga verzeichnete in der vergangenen Saison Einnahmen von fünf Milliarden Dollar, begrüßte 22 Millionen Zuschauer in den Hallen und knackte die Marke von einer Milliarde Likes in sozialen Medien.

Die NBA ist ein globales Business geworden. Die Vereine geizen auch nicht auf der Ausgabenseite, und das hat gute Gründe. Im Hinblick auf die Saison 2016/17 tritt der neue TV-Vertrag mit dem zum Disney-Konzern gehörenden ESPN und Turner Sports in Kraft, der den Klubs bis 2024 jährlich 2,66 Milliarden Dollar in die Kassen spült. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einer Steigerung um 180 Prozent.

Die Suche nach den Topstars

Die Preise für Sportrechte in den USA explodieren, auch weil Live-Übertragungen von Sportereignissen einer der letzten Programmpunkte sind, die ein zahlendes Publikum anziehen. 30 Teams machen Jagd auf den Titel. Und die Suche nach der Siegesformel wird immer schwieriger. Der Trend lautet: Ohne Topstars ist ein Titel nicht möglich.

"Es gibt nur wenige Elitespieler, die aus der bereits breiten Konkurrenz herausragen. Darum versuchen alle Teams, diese Leute zu bekommen und schütten sie mit Geld zu", sagt Weltman. Der 52-Jährige, buntes Streifen-Sakko, zurückgekämmte blonde Haare, steht gemeinsam mit Präsident Masai Ujiri beim Vorstand des Vereins in der Pflicht. Die Toronto Raptors gehören der Maple Leaf Sports & Entertainment Group, die eine Reihe von Immobilien besitzt und der größte Finanzdienstleister Kanadas ist.

Das Geschäft läuft: Der Umsatz der Toronto Raptors steigt und steht mittlerweile bei 163 Millionen US-Dollar. Ebenso wie die Spielergehälter erreicht er 2016 einen neuen Höchstwert.
Jeff Weltman, General Manager der Toronto Raptors: "Nur wenige Elitespieler ragen aus der breiten Konkurrenz heraus. Sie werden mit Geld zugeschüttet."
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"Wir haben gute Eigentümer, das ist extrem wichtig. Man hört uns zu, ist sehr geduldig und erfüllt uns wichtige Wünsche. Wir wollten etwa ein Farmteam und ein modernes Trainingszentrum. Beides haben wir bekommen, beides brauchst du, um erfolgreich sein zu können."

Den Mammon müssen alle NBA-Teambesitzer, unter ihnen auch Hedge-Fund-Manager, Silicon-Valley-Softwarekönige und Oligarchen zum größten Teil mit ihren Spielern teilen. Denn im Arbeitsvertrag wurde festgeschrieben, dass 50 Prozent der "basketballverwandten Einnahmen" an die Spieler ausgeschüttet werden. Als Konsequenz wurde der Salary-Cap, die Gehaltsobergrenze, von 70 auf 94 Millionen Dollar erhöht.

2017 werden die Teams erstmals über 100 Millionen für Spielergehälter ausgeben dürfen. Selbst Bankwärmer erhalten Pensionsverträge, auf der Tauschbörse geht es wild zu. Bei den Raptors versucht man einen Mittelweg zu gehen. Trotz relativ hoher Spielergehälter (Platz zehn in der Liga) setzten die Kanadier auf Kontinuität. "Weil wir an unsere Spieler glauben. Wir wollen ihnen eine familiäre Atmosphäre bieten, sie längerfristig binden. Dafür brauchst du aber eine Philosophie und eine gute Verhandlungsstrategie."

Es lebe die Transparenz. In den USA spricht man über Geld, Jakob Pöltl streift ein Jahressalär von 2,7 Millionen Dollar ein. Topverdiener ist DeMar DeRozan mit 26,5 Millionen Dollar.
Der 20-Mann-Kader der Toronto Raptors auf einen Blick. In der Starting Five werden Kyle Lowry, DeMar DeRozan, DeMarre Carroll, Jared Sullinger und Jonas Valanciunas erwartet. Sullinger hat aber eine Fußverletzung und fällt zu Saisonbeginn aus. Damit wird wohl Patrick Patterson starten.

Die Kanadier haben ein ausgereiftes Scouting-System. Spielerbeobachter kümmern sich in um die Liga, den Draft junger College-Spieler und um die größten Talente außerhalb Nordamerikas. Es gibt keine Nischen. "Wir treffen uns regelmäßig und tauschen uns über alle Spielermärkte aus, damit kein Tunnelblick entsteht. Am Ende wollen wir das bestmögliche Team zusammenstellen", sagt Weltman.

Die Spieler sind Schachfiguren, die in Zahlen zerlegt werden. Und die Analysen werden immer ausgeklügelter. Selbst erweiterte Statistiken, die mit mathematischen Formeln die Effizienz eines Spielers berechnen, "sind schon längst Schnee von gestern". In allen NBA-Hallen hängen Kameras von der Decke, die in einem kartesischen Koordinatensystem (x und y) die Position aller Spieler und die Höhe des Balls aufzeichnen. Das sind Millionen von Daten pro Spiel.

Von den Raketen in die Hallen

Erfunden wurde diese Bewegungsanalyse von israelischen Wissenschaftern für die Armee, sie sollte die Flugbahn von Raketen verfolgen. Als Fußballfans brachten sie die Technologie dann zuerst auf den Rasen und wenig später in die Hallen.

Die Spieler sind aber nach wie vor aus Fleisch und Blut. Natürlich auch Jakob Pöltl. Weltman: "Wir hätten Jakob nicht ausgewählt, wenn wir nicht an ihn glauben würden. Er hat das körperliche Talent und die mentale Stärke. Und er weiß, dass man Rom nicht an einem Tag erbauen kann." (Florian Vetter aus Toronto, 22.10.2016)