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Kürzlich stand in einem gelungenen Feature auf diesen Seiten folgender Satz zu lesen:

"Links der Sozialdemokratie konnte sich in Österreich noch nie eine Partei etablieren."

Jetzt kann man sich natürlich lang und breit darüber streiten, was die Begriffe links und rechts bedeuten (siehe auch meinen älteren Beitrag dazu). Aber selbst ohne diese Frage letztgültig klären zu können, erscheint mir die obige Aussage mehr als gewagt. Gut also, dass es dazu genug empirisches Material gibt.

Um ideologische Positionen zu messen, kann man etwa Wähler oder Experten bitten, die Parteien einzustufen, oder die Selbsteinstufung von Wählern oder Parteimitgliedern heranziehen. Außerdem gibt es inhaltsanalytische Methoden, mit denen aus politischen Texten (zumeist Wahlprogrammen) ideologische Positionen der Parteien abgeleitet werden können.

Die erste Grafik zeigt genau diese fünf Arten ideologischer Positionsbestimmung, alle bis auf die Expertenbefragung basierend auf Autnes-Daten zur Nationalratswahl 2013. Vier davon kommen durch Befragungen (von Wählern, Parteikandidaten und Experten) zustande, die fünfte durch eine Inhaltsanalyse von Wahlprogrammen (mehr zur Methode hier).

Wir sehen, dass Wähler die Parteien mit höherer Streuung einstufen als sich selbst. Die Wahlprogrammanalyse verortet fast alle Parteien zwischen linkem Pol und der Mitte (weil Wirtschafts- und Sozialpolitik hier quantitativ dominieren und es dort relativ wenige wirtschaftsliberale Aussagen gibt). Die Experten wiederum verteilen die Parteien hübsch (zu hübsch wahrscheinlich) über das gesamte ideologische Spektrum.

Dennoch haben alle fünf Skalen eines gemeinsam: Die Grünen liegen links von der SPÖ – wenn auch in zwei Fällen nur knapp. Keinesfalls aber liegen sie rechts von den Sozialdemokraten. Die These, dass es in Österreich keine etablierte Partei links von der SPÖ gibt, kann man also getrost in Zweifel ziehen.

Vielleicht bezog sich die anfangs zitierte Aussage aber auch nicht auf allgemeine ideologische Verortungen, sondern auf die Positionen der Partei in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen (nehmen wir einmal an, dass die gesellschaftspolitisch linke Position der Grünen außer Streit steht).

Die Autnes-Vorwahlbefragung 2013 hat auch dazu einige spezifische Fragen parat. Konkret wurde der Grad der Zustimmung zu folgenden Aussagen erfasst:

  • Die Politik soll sich aus der Wirtschaft heraushalten.
  • Die Politik soll Unterschiede zwischen großen und kleinen Einkommen ausgleichen.
  • Die Arbeitslosigkeit muss bekämpft werden, auch wenn das hohe Staatsschulden bedeutet.

Die zweite Grafik zeigt, in welchem Ausmaß bei den Parteianhängern linke beziehungsweise rechte Positionen dominieren. Positive Werte bedeuten, dass es mehr Zustimmung zur jeweils linken Position gab (das heißt Ablehnung bei Frage eins, Zustimmung bei Fragen zwei und drei). Negative Werte bedeuten, dass rechte Positionen dominieren.

Bei den ersten beiden Fragen gibt es kaum Unterschiede zwischen SPÖ und Grünen. Nur bei der Frage nach Arbeitslosigkeit und Staatsschulden liegen SPÖ-Wähler (54 Prozent) klar links von jenen der Grünen (39 Prozent). In Summe sind die Grün-Wähler also wirtschaftspolitisch etwa dort, wo die SPÖ-Wähler auch sind.

Auffällig ist außerdem, dass praktisch überall linke Positionen überwiegen. Wirtschaftspolitische Einstellungen korrelieren also in Österreich nicht stark mit Parteipräferenzen (ein ceterum censeo dieses Blogs). Das sollten wir jedenfalls berücksichtigen, wenn wir über die ideologische Verortung von Parteien sprechen. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 18.10.2016)