Kleines Lokal, große Pizza: fett, geil, knusprig, günstig und mit mehr als beachtlichen Toppings.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Wer einen Meter ordert, wird mit frisch gemachten Fladen belohnt. Da haben aber auch verschiedene Varianten gleichzeitig drauf Platz.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Fünfzehn Jahre ist es her, dass beim Michaelerplatz eine halb im Souterrain gelegene Osteria aufsperrte, die kurz ein Geheimtipp war, von den Wichtigen der umliegenden Ministerien, Kanzlerämter und Präsidentschaftskanzleien aber schnell als luxuriöse Mittagskantine in Beschlag genommen wurde. Was die aus Apulien stammende Familie d'Atri da an handgemachter Pasta, Meeresfrüchten und Fisch aus Wildfang bereithält, ist aber auch dem oberen Ende der Nahrungskette vorbehalten – und sei es als Anfütterung.

Francesco Tedesco, ein Cousin der Betreiber, war der Restaurantleiter: erst hier, dann im Melograno, das sich die Famiglia ein paar Jahre später als Fleischtempel zugelegt hat. Zuletzt verschlug es ihn nach Singapur, wo er die Eröffnung der Procacci-Filiale schupfte. Seit einem Monat steht Tedesco jetzt in einer kleinen Pizzabude am Josefsplatz. Vor der Tür fließt der Touristenstrom, drinnen werden die Teigfladen meterlang ausgezogen. Pizza al metro ist in Italien seit Jahrzehnten eine etablierte Variante, für die speziell tiefe Holzöfen gebaut werden müssen.

Saisonal wechselnde Specials

Im Toto's sind es E-Öfen, die Pizza ist von der römischen Art, mit knusprigem, ölfettigem Boden und allerhand Toppings: klassische Margherita natürlich, aber auch gegrilltes Gemüse mit Olivencreme und lange Fäden ziehender Mozzarella oder unverschämt cremige Caprese, auf die neben Basilikum und Paradeisern Stracchino und Büffelmozzarella gepackt werden. Pizza bianca mit "cime di rapa", Salsiccia und Mozzarella gibt es ebenso wie eine San Daniele mit wirklich herausragendem Schinken, Grana und Rucola oder die Amatriciana mit Eierschwammerln, glacierter, süßer Tropea-Zwiebel und luftgetrocknetem Backerlspeck (Guanciale) aus Amatrice. Wer die bestellt, darf sich doppelt freuen, weil 20 Prozent des Verkaufspreises an die Erdbebenopfer von Amatrice gehen. Saisonal wechselnde Specials gibt es auch, derzeit werden gerade schwarze Norcia-Trüffeln auf eine Pizza mit Mozzarella und Steinpilzen gehobelt – wui.

Die Preise sind, wie es sich für so ein Standl mit ein paar Sitzplätzen gehört, niedrig: Drei Euro für einen Achtelmeter (4,50 für die richtig luxuriös belegten) zwischen 13 und 35 für einen ganzen – der macht dann eine Familie satt. Ein Gutteil der Klientel besteht schon aus italienischen Touristen, die ihr Glück kaum fassen können, hier eine Bude mit italienischem Personal und Pizza in einer Qualität zu entdecken, die auch daheim nicht selbstverständlich ist. Ein paar Pizzen sind für die Achtel- und Viertel-Esser stets fertig, bei Bestellung werden die Stücke kurz in den Ofen befördert, um knusprig und schmelzig aufgebacken zu werden. Wer einen Meter ordert, wird mit frisch gemachten Fladen belohnt. Da haben aber (siehe Bild) auch verschiedene Varianten gleichzeitig drauf Platz.

Fritto misto

Francesco Tedesco hat aber auch abseits der Pizza ein paar Feinheiten auf Lager. Fritto misto di mare zum Beispiel, für das er sich den Fisch über die nahe Osteria liefern lässt: winzige Ährenfische, Calamari, aber auch wilde, süße Garnelen aus Argentinien – sehr gut. Lasagne wird nach dem Rezept eines Gastronomenfreundes aus der Toskana gemacht, mit von Hand gehacktem Kalbfleisch und Spinatpasta, ziemlich sicher die beste Lasagne, die irgendwo in der Stadt um acht Euro über die Budel geht.

Dazu trinkt man Murauer vom Fass und aus der Flasche (Pils!) oder einen der tadellosen Weine, die offen angeboten werden – und freut sich, dass man schon lange nicht mehr so schnell, fröhlich und günstig auf gute Art verköstigt wurde. (Severin Corti, RONDO, 21.10.2016)