Der Chefsessel – für viele Absolventen ein Objekt der Begierde. Aber wie gelangt man in Führungspositionen?

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Augen, Ohren und Herz öffnen beim Jobeinstieg: Lara Hagen (der STANDARD) im Gespräch mit Sabine Herlitschka (Infineon), Michael Kronegger (Hofer), Jubin Honarfar (Whatchado) und Günter Thumser (Henkel) über Wege ins Management.

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Der Weg nach oben bleibt ein Geheimnis. Zumindest waren sich die vier Führungskräfte, die Studierenden zum Thema "Wie komme ich ins Management" Rede und Antwort standen, einig, dass es keine pauschalen Lösungen für diese Frage geben kann. Der Zufall spielte bei allen eine wichtige Rolle, aber natürlich gepaart mit dem Glauben an sich selbst, Können und einer Portion Mut.

Dass Karrieren selten haargenau geplant sind, sondern vielmehr passieren, war auch die Erkenntnis einer Auswertung tausender Whatchado-Videos, in denen Menschen ihren Werdegang beschreiben. "Wir hatten ein Bauchgefühl, dass der Zufall bei vielen eine Rolle gespielt hat. Deswegen haben wir vor zwei Jahren Videos ausgewertet, und das Ergebnis bestätigte unser Gefühl: 85 Prozent hatten ihre damalige Position so nie geplant", sagt Jubin Honarfar, Mitgründer und CEO der Videoplattform. Erkannt habe er da auch, dass Zickzack-Lebensläufe mit Branchenwechseln, Pausen und vielen unterschiedlichen Tätigkeiten zur Normalität geworden sind. "Früher war das ja noch verpönt", sagt Honarfar.

Keine zu genauen Pläne

Auch Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende der Infineon, gehört zu jenen, die ihren Karriereverlauf so nicht geplant haben. "Ich halte überhaupt nichts von Plänen, wo man in fünf Jahren sein will." Bei ihr ging es von einer eigentlich klassisch wissenschaftlichen Laufbahn in die Privatwirtschaft, von der Biotechnologie in die Halbleiterbranche. Begeisterung für ein Thema sei der Schlüssel zum Erfolg. Wenn man an der Vision teilnehmen wolle und bereit sei zum Mitgestalten, dann würden auch Branchenwechsel nichts ausmachen. Natürlich ist das Studium noch immer eine wichtige Basis, wenn auch nicht unbedingt wegen des dort erlernten Fachwissens. "Das vergisst man schon mal", sagt Herlitschka. "Aber man wird in einem bestimmten Umfeld sozialisiert und lernt eine bestimmte Art des Denkens. An der Bodenkultur war das bei mir das systemische Denken. Solche Fähigkeiten sind später wichtig."

Dass sich, wie bei der Career Calling, 6000 Studierende über potenzielle Arbeitgeber und Karrierewege informieren können, habe es zu seinen Zeiten noch nicht gegeben, sagt Günter Thumser, Präsident von Henkel Zentral- und Osteuropa. "Damals sind die Stellen noch an Zetteln im Korridor ausgehangen." So kam er dann auch zu Henkel. "Mittlerweile sind 38 Jahre vergangen, und ich bin noch immer da." Auch er hätte sich damals nie gedacht, dass es eine Position wie die jetzige werden würde. "Neugierig zu sein und Chancen wahrzunehmen kann ich jedem Studierenden nur ans Herz legen. Und wenn man die eigene Persönlichkeit durch Erfahrungen neben dem Studium erweitert, durch Praktika oder studentische Projekte, dann ist es auch nicht so schlimm, wenn das Studium etwas länger dauert", sagt Thumser. Nachsatz: Natürlich gebe es gewisse Grenzen.

Aufstehen, weitermachen

Auch Michael Kronegger, Hauptgeschäftsführer bei Hofer, ist überzeugt, dass man nicht nur in Hörsälen lernt, sondern an allen Stationen des Lebens. Dazu gehöre auch das Umfallen, die Niederlagen und Stolpersteine. "Das ist in Ordnung und gehört dazu. Es heißt dann einfach aufstehen, weitermachen und daraus lernen."

"Für euch mag das nach Floskeln klingen. Aufstehen nach dem Hinfallen, was heißt das schon, denkt ihr", sagt Honarfar. Was ihm tatsächlich geholfen habe, sei, keine Angst zu haben und "zu machen und zu machen". Auch wenn man beim Vorstellungsgespräch nicht einer Führungskraft mit Weitblick gegenübersitze, sondern eben dem Recruiter, der wahrscheinlich von Zickzack-Lebensläufen nicht so viel hält. Dass es diese Diskrepanz zwischen Aussagen und Tun von Unternehmen gebe, habe er am eigenen Leib gespürt: "Ich war ein Systemfehler: 28 und nicht fertig studiert. Deshalb braucht man Mut. Es kann ja nichts Schlimmes passieren, wir leben glücklicherweise in Österreich." Auch für Kronegger ist Zufall relativ. Aber man sollte, was man tut, gut machen und die Augen für weitere Aufgaben offen halten.

Das zähle natürlich besonders in einer Welt, in der man nicht mehr behaupten könne, dass alles beim Alten bleibe, fügt Thumser hinzu. "Wir erleben tagtäglich, dass kein Stein auf dem anderen bleibt. Das ist das Wesentliche, was Führungskräfte der alten Schule lernen mussten und die Neuen mitbringen sollten." (lhag, 25.10.2016)