Bildungsministerin Sonja Hammerschmid in der Goetheschule in Bozen.

Foto: Ludwig Thalheimer

Bozen – Hose, Dose, Lose. Ein Bub mit blonden, kurzen Haaren schreibt in sein Übungsheft. Er muss Wörter finden, die sich auf "Rose" reimen. Sein Schulbanknachbar schreibt derweil in sein Schreibheft ein "f" nach dem anderen. Es ist Stillarbeitszeit in der reformpädagogischen Klasse in der Goetheschule in Bozen. Je nach Entwicklungsstand bekommen die Schüler unterschiedliche Aufgaben.

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) hat mit einer Delegation zwei Tage lang Bozen besucht, um das Schulsystem der deutschen Schulen in Südtirol und vor allem deren Autonomie besser kennenzulernen.

78 Schuldirektoren für über 300 Schulen

SPÖ und ÖVP wollen die Autonomie an Österreichs Schulen ausbauen. Auf einen Gesetzesentwurf müssen sich die Parteien erst einigen, die wichtigsten Punkte stehen aber bereits (DER STANDARD berichtete). Vor allem das System der neu zu bildenden "Schulcluster", in denen sich zwei bis acht Schulstandorte zusammenschließen sollen und einen "Clusterleiter" bekommen, hat sich Hammerschmid aus Südtirol abgeschaut. Hier gibt es 78 Schuldirektoren für 260 Grundschulen, 60 Mittelschulen und 25 Oberschulen.

Die Leiterin der Goetheschule in Bozen, einer Grundschule, ist Chefin von zwei weiteren Grundschulen in der Stadt. Sie bekommt einen Stellenplan vom Land zugewiesen, kann aber selbst entscheiden, wie und wo die Lehrer eingesetzt werden. Da in Italien die Sonderschulen schon 1977 abgeschafft wurden, gibt es auch für jeden Schüler mit Beeinträchtigung – egal, ob es sich um eine Lernstörung oder eine physische Beeinträchtigung handelt – zusätzliche Mittel. Für Massimiliano, einen Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten, hat die Direktorin eine eigene Inklusionslehrerin für 15 Stunden bekommen.

Wahlfreiheit bei Ganztagsschule

Die Eltern können zudem wählen, ob ihr Kind die Ganztags- oder die Halbtagsschule besucht. Am Vormittag werden alle Kinder gemeinsam unterrichtet, jedes Kind muss zwei Mal am Nachmittag den Unterricht besuchen. Seit fünf Jahren gibt es einen reformpädagogischen Zweig. Die Schwerpunkte legen Lehrer, Eltern und Schulleitung innerhalb des Schulrats gemeinsam fest. In der Oberschule haben auch die Schüler ein Mitspracherecht.

In Südtirol besuchen alle Kinder gemeinsam fünf Jahre die Grundschule und anschließend für drei Jahre die Einheitsmittelschule. Im Alter von 15 Jahren müssen sie sich für eine weiterführende Schule entscheiden. "Ich möchte mich nicht in die österreichische Diskussion einmischen, ich kann nur so viel sagen: Wir haben gute Erfahrungen gemacht", sagte der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher beim Besuch der Ministerin.

Tatsächlich schneiden vor allem die deutschsprachigen Schulen in Südtirol bei Pisa besser ab als die österreichischen. (koli, 22.10.2016)