Die Neue Burg am Heldenplatz wird das – provisorische – "Haus der Geschichte Österreich" beherbergen.

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Das Raumkonzept für die Neue Burg

Die Räume für das HGÖ in der Neuen Burg werden bereits saniert.

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Entwurfsübungen von TU-Studenten zeigen, wie eine Umgestaltung des Äußeren Burgtors aussehen könnte. Hier mit einem Glasüberbau.

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Manchmal gibt es in der Politik noch Worte entwaffnender Ehrlichkeit. In Wien gebe es viele Provisorien, einige davon sogar dauerhaft, sagte Kanzleramts- und Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) vergangene Woche vor Journalisten, inmitten einer Baustelle stehend. Das Projekt, über dessen Umsetzung er informierte, heißt Haus der Geschichte Österreich (HGÖ) und wird in der Neuen Burg auf dem Wiener Heldenplatz entstehen.

Drozdas Vorgänger Josef Ostermayer (SPÖ) hatte in der jahrzehntelangen Debatte über ein historisches Museum für die Republik Nägel mit Köpfen machen wollen. Anfang 2015 verkleinerte er die Ausbaupläne für das völkerkundliche Weltmuseum in der Neuen Burg, um Platz für ein HGÖ zu schaffen. In dem imperialen Hofburgtrakt auf dem Heldenplatz befinden sich neben der Nationalbibliothek (ÖNB) auch die archäologische Ephesus-Ausstellung sowie die Rüstungs- und Musikinstrumentensammlungen des Kunsthistorischen Museums (KHM). Letztere, zuletzt 1993 neu aufgestellt, hätte wegen des HGÖ verkleinert und modernisiert einen Stock tiefer verlegt werden sollen.

Unter dem Vorsitz des Zeithistorikers Oliver Rathkolb hatte ein Expertenbeirat ein Konzept erarbeitet, das für das HGÖ 3000 m² Fläche vorsah. Kostenpunkt: 30 Millionen Euro. Inhaltlich einigte man sich auf eine Darstellung der österreichischen Geschichte ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Ins museale Konzept miteinbezogen wurde auch der historisch belastete "Hitlerbalkon" der Neuen Burg, von dem aus Hitler 1938 den Anschluss Österreichs verkündet hatte.

Ostermayer trat in einen inoffiziellen Wettstreit mit Niederösterreich, wo bis 2018 ebenfalls ein Haus der Geschichte mit überregionalem Anspruch (Stichwort "Kernland Österreichs") entsteht. Bis zum hundertjährigen Republiksjubiläum sollte also auch der Bund sein HGÖ hinbekommen.

Größere Pläne verschoben

Der Minister trieb aber noch weitaus größere Pläne für den Heldenplatz voran: Umgestaltung des Äußeren Burgtors, Tiefgarage für einen autofreien Heldenplatz, unterirdischer Bücherspeicher für die ÖNB. Wissenschafts-Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) brachte sich mit einem Haus der Zukunft ins Spiel – eine Art Wirtschafts- und Forschungszentrum. Die Kostenschätzung für alle Projekte summierte sich auf über 110 Millionen Euro.

Drozda präsentierte nach den Budgetverhandlungen mit Finanzminister Schelling (ÖVP) nun das ernüchternde Ergebnis: Das HGÖ wird um ein Drittel kleiner realisiert, soll statt 30 nur zehn Millionen kosten, die Musikinstrumentensammlung bleibt dafür unangetastet. Alle anderen Projekte werden auf zukünftige Legislaturperioden verschoben.

Viel überraschender als das "Njet" Schellings kam aber noch, dass Drozda erneut einen Neubau für das HGÖ ins Feld führte, in den es dereinst übersiedeln könnte. Doch das ist Zukunftsmusik. Bis 2020 wird auf dem Heldenplatz wegen des Parlamentsumbaus ein temporärer Container-Nationalrat tagen. Erst danach könne man an einen Neubau denken. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass aus der Übergangslösung für das Republiksjubiläum überhaupt ein Dauerprovisorium wird. Drozda lässt derzeit alle Varianten offen.

Verwaistes Burgtor

Die "Musealisierung" des Äußeren Burgtors, wie das Entstauben und Kenntlichmachen der belasteten Gedenkstätten dort genannt wird, musste auf die lange Bank – und das, obwohl die Verteidigungsminister Norbert Darabos und Gerald Klug (beide SPÖ) die historische Aufarbeitung der Vorgänge rund um die Krypta und die Skulptur des Toten Kriegers des Bildhauers Wilhelm Frass bis 2014 doch recht engagiert vorangetrieben haben. Die Historikerin Heidemarie Uhl, Expertin für das Burgtor im HGÖ-Beirat, befürchtet: "Keiner fühlt sich mehr dafür zuständig – und damit scheint das jetzt einzuschlafen."

Hintergrund: Für die Verwaltung und Restaurierung des Äußeren Burgtors ist die Burghauptmannschaft zuständig, offizieller Nutzer ist zwar das Verteidigungsministerium, doch Kranzniederlegungen des offiziellen Österreich – wie am Nationalfeiertag – erfolgen wegen der braunen Flecken im Inneren längst vor der Krypta, die daher mittlerweile profaniert, also quasi "entweiht", wurde. Aus dem Verteidigungsministerium heißt es, man wünsche sich dafür eine ressortübergreifende, gesamtstaatliche Zusammenarbeit.

Bundesheer-Denkmal angestrebt

Aufhorchen ließ zuletzt Hans Peter Doskozil (SPÖ), jetzt als Verteidigungsminister im Amt, mit seinem Plan, neben dem Polizeidenkmal ein eigenes Bundesheer-Denkmal errichten zu wollen – und zwar für alle im Dienst gestorbenen Soldaten der Zweiten Republik (52 allein bei Auslandsmissionen). Zwar nicht auf die Unterstützung der Grünen, aber auf eine längst ergangene Empfehlung des Wissenschafterbeirats des Ressorts kann Doskozil zurückgreifen. Uhl gibt zu bedenken: "Der Errichtungsort erfordert besondere Sorgfalt und Sensibilität. Ein Denkmal auf dem Heldenplatz wird als Symbol der Republik wahrgenommen, es wäre das erste Ringstraßen-Denkmal seit Jahrzehnten. Es sollte den Standards der internationalen Gegenwartskunst entsprechen." Demnächst soll bereits ein Künstlerwettbewerb für das Denkmal starten.

Auch die Direktion für das Haus der Geschichte wird in Kürze ausgeschrieben. Gefällt wird die Entscheidung von der ÖNB, an die das HGÖ angedockt wird. Die Bibliothek selbst wartet weiter auf ihren Bücherspeicher. Die Platznot in der ÖNB sei mittlerweile so groß, dass man ab sofort externe Räume anmieten müsse, erklärt ÖNB-Chefin Johanna Rachinger. Der Aufschub des Speicherbaus wird vonseiten der Politik übrigens nicht nur budgetär begründet: Das temporäre Parlament auf dem Heldenplatz will sich bei seiner Arbeit nicht am Baulärm stoßen müssen. (Stefan Weiss, Nina Weißensteiner, 25.10.2016)