Der umstrittene rechte Kongress fand in den Linzer Redoutensälen statt.

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Die Polizei riegelte die Linzer Innenstadt ab.

Foto: PA/FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUMMAYR

Rund 1.800 Demonstranten gingen laut Polizei gegen den Kongress auf die Straße, 3.500 waren es laut Demoveranstalter.

Foto: Werner Dedl
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Linz – Die selbst ernannten "Verteidiger Europas" wollten ganz offensichtlich unter sich sein: Samstagfrüh startete der höchst umstrittene rechte Kongress in den Linzer Redoutensälen mit einem Polizei-Großaufgebot. Der Zugang zu den repräsentativen Räumlichkeiten wurde bereits um sechs Uhr weiträumig gesperrt.

derStandard.at

Zwei Personen verschafften sich aber trotzdem Zugang und leerten um 9.30 Uhr in einem Saal laut Polizei einen kleinen Plastikbehälter mit einer bis dato unbekannten Flüssigkeit aus. "Es ist zu einer Geruchsbelästigung gekommen", sagte Polizeisprecher Bruno Guttmann zum STANDARD. Die zwei wurden vorübergehend festgenommen, die Veranstaltung wurde fortgesetzt. Laut den Organisatoren nahmen 500 Personen an dem Kongress teil.

Demozug wegen Bengalen und Farbbeuteln gestoppt

Gegen 15 Uhr setzte sich vom Hauptbahnhof weg über die Landstraße Richtung Promenade ein Protestmarsch in Bewegung. Während über dem Zug ständig ein Polizei-Hubschrauber kreiste, wurde unten "Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda" und "Nazis raus" skandiert; "Vielfalt statt Einfalt" oder "Horizont erweitern, statt Grenzen setzen" war auf den Transparenten zu lesen.

Der Protest richtete sich nicht nur gegen das Treffen an sich, sondern auch dagegen, dass das Land seine Repräsentationsräume an die Veranstalter vermietet hat. Diese wiederum dankten "der Polizei für ihren Einsatz & den politischen Verantwortungsträgern (Pühringer, Luger) für ihre Standhaftigkeit." Auf Bildern aus dem Saal ist zu sehen, wie die oberösterreichische Landesflagge samt Wappen als Kulisse für die Redner diente.

In weiteren Veranstaltungsräumen wurden Informations- und Verkaufsstände aufgebaut. Unweit eines Standes der rechtsextremen "Identitären" bot ein "Schriftkünstler" laut "OÖ Kronen Zeitung" und "orf.at" Kalligrafien mit dem Text "Ehre und Treue" an, offenbar in Anlehnung an das SS-Motto "Unsere Ehre heißt Treue". Kostümierte Burschenschafter legten vor Plakaten mit Nahaufnahmen blutiger Gesichter und dem Slogan "Ich will nicht ohne Narben sterben" Broschüren auf.

Teilnehmerzahl vervielfacht

Die Veranstalter von "Linz gegen Rechts" rechneten im Vorfeld der Demo gegen den Kongress mit bis zu 1.500 Teilnehmern. Laut Polizei bestand sie anfangs aus 500 Personen, "durch Zustrom sind es derzeit 1.800 Teilnehmer", twitterte die oberösterreichische Polizei später. Zuletzt sprachen die Demo-Organisatoren von 3.500 anwesenden Personen.

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Der Demozug wurde laut Polizei etwa eine Stunde nach seinem Start "aufgrund von abbrennenden Bengalen, Nichteinhalten des Vermummungsverbotes und Werfen von Farbbeuteln" kurzzeitig gestoppt. Um 16.45 Uhr erreichten die Demonstranten ihr geplantes Ziel am Rand des Platzverbotes bei den Redoutensälen. Kurz vor 18 Uhr wurde die Versammlung offiziell für beendet erklärt, die Menge zerstreute sich und die Straßenbahnen der Linz Linien nahmen ihren Betrieb wieder auf. "Bis auf die Gruppe, die Sachbeschädigungen verübte, war es eine friedliche Demo", resümierte die Polizei.

Festnahmen wegen Verstößen gegen das Vermummungsverbot habe es laut Polizei entgegen anderslautender Meldungen vor Demonstrationsbeginn nicht gegeben. Auch den Einsatz von Schlagstöcken dementierte die Exekutive.

Mehrere Busse mit Gegendemonstranten wurden am frühen Nachmittag auf dem Weg von Wien nach Linz von der Polizei angehalten und kontrolliert. Eine ähnliche Vorgehensweise vor dem Akademikerball in Wien im heurigen Jänner erkannte das Wiener Verwaltungsgericht erst kürzlich als rechtswidrig. Für derartige Anhaltungen müsse der konkrete Verdacht eines Straftatbestandes vorliegen.

Vor dem Start der Gegendemo.
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Die Sicherheitsvorkehrungen waren in Linz schon vor Beginn der Veranstaltung groß. Selbst an den Eingängen einer nahen Tiefgarage bezogen Beamte der Hundestaffel Stellung. Wer doch versuchte, mit den Besuchern der "Leistungsschau der patriotischen, identitären und konservativen Arbeit" ins Gespräch zu kommen, wurde von polizeilicher Seite höflich aber bestimmt darauf hingewiesen, dass es "der Wunsch der Veranstalter und somit die Aufgabe der Exekutive ist, eine Kontaktaufnahme mit den Gästen zu verhindern." Diesen Wunsch setzte die Polizei auch gegen Medien durch.

"Mediale Nachdenkpause"

Doch manchmal folgt auf journalistische Frustration im Regen ein wenig Rechercheglück unter Tage: Der freundliche Polizist mit Hund gewährte den Gang in die Tiefgarage und just in diesem Moment schwang sich Herbert Kickl aus seinem Dienstwagen. Der FPÖ-Generalsekretär und Wahlkampfleiter von Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer war der prominenteste Referent bei dem umstritten Treffen. Ob er die Kritik an seinem Auftritt verstehe? Kickl: "Also ich versteh' viel Kritik, aber die nicht." In seinem Vortrag wollte er sich "mit Grundsätzlichem zu Europa beschäftigen." Denn eines sei klar: "Europa ist immer interessant."

In seiner Rede bezeichnete Kickl Abgeordnete von SPÖ und Grüne im Hohen Haus dann als "mieselsüchtige Parlamentarier". Bundespräsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen nannte er einen "Last-Minute-Patrioten", wie der Veranstalter auf seinem Twitter-Account bekannt gab. Einige harsche Attacken gab es wenig überraschend auf politische Mitbewerber: "Die Toleranz der Linken ist oft nichts anderes als Feigheit."

Verständnis brachte der blaue Chefstratege für das Aussperren der Medien auf: "Sie können jetzt selber einmal darüber nachdenken, warum das so ist." Für Verwirrung sorgte ein mittlerweile wieder gelöschter Tweet der Veranstalter, wonach man mit Servus TV eine Medienpartnerschaft eingegangen sei. Servus TV dementierte. Man werde über den Kongress berichten, ob ein Kamerateam auch in den Redoutensälen ist, konnte der Fernsehsender nicht beantworten.

Eingeladener Weihbischof sagte ab

Zum Kongress eingeladen wurde auch der Salzburger Weihbischof Andreas Laun. Er sagte seine Teilnahme als Sprecher allerdings kurzfristig ab. Laut "Kathpress" erklärte Laun, dass er damit dem ausdrücklichen Ersuchen des Salzburger Erzbischofs Franz Lackner nachkomme. "Ich respektiere den Wunsch des Erzbischofs", sagte Laun, der gegen 13.15 Uhr bereits am Linzer Hauptbahnhof war.

Weihbischof Laun am Linzer Hauptbahnhof.

Der Weihbischof hätte über "Die christlichen Wurzeln Europas" sprechen sollen und habe laut Eigenauskunft "einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion" leisten wollen. Kirchliche Einrichtungen hatten bereits zuvor Kritik an der Veranstaltung geäußert. Caritas-Präsident Michael Landau schrieb noch vor Launs Absage auf Twitter: "Geht gar nicht." Er finde die avisierte Teilnahme "völlig unpassend, unangemessen und unvereinbar".

Über die Veranstalter sagte Laun laut APA, "ich weiß nicht, welche Leute das sind". Angesprochen auf die Hintergründe meinte er: "Meine Güte, man kann überhaupt nicht mehr normal reden. Wenn mich die Sozialistische Jugend eingeladen hätte, wäre ich auch hingegangen". Denn reden könne man mit jedem.

Stellungnahme am Freitagabend

An der Gegendemonstration nahm unter anderem Martina Renner, Abgeordnete der deutschen Partei Die Linke, teil. Sie sei nach Linz gekommen, weil man deutsche und österreichische Rechtsextreme nicht trennen könne, wie auch der "Kongress Verteidiger Europas" zeige, sagte Renner dem STANDARD.

Mit einem von Schauspielern verlesenen Statement hat sich das Ensemble des Linzer Landestheaters bereits am Freitagabend gegen den Kongress gestellt. Nach der Aufführung des Stückes "Jägerstätter" wurde vor dem Publikum die Stellungnahme vorgetragen. "Wir sagen Nein zur Ausgrenzung, wir wollen eine bunte, demokratische Welt", hieß es. Es folgten minutenlange Standing Ovations.

"Was hat Europa zu verlieren? Wovor beschützen? Gegen was oder wen muss Europa verteidigt werden?", hieß es in der Rede, die vor allen Mitwirkenden des Felix-Mitterer-Stückes und dem Publikum verlesen wurde. Europa habe eine lange Tradition der Einwanderung, jeder habe Vorfahren, die ins Unbekannte aufgebrochen wären. (Markus Rohrhofer, red, APA, 29.10.2016)