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Die montenegrinische Polizei verhaftete am Wahlsonntag, dem 16. Oktober, 20 serbische Staatsbürger, die angeblich den montenegrinischen Premier Milo Djukanović gefangen nehmen wollten.

Foto: Reuters / Stevo Vasiljevic

Podgorica/Sarajevo – Sie tun so, als sei Montenegro von Fluten und Chemieunfällen bedroht. Seit Montag findet in dem Balkanland mit 625.000 Einwohnern eine Katastrophenschutzübung unter Nato-Führung statt. 32 Staaten und 680 Personen sind involviert. Montenegro will zeigen, dass es auf die bevorstehende Nato-Mitgliedschaft vorbereitet ist.

Die Übung soll wohl auch ein Signal an Moskau senden. Denn das Gerangel um die Einflusssphären auf dem Balkan ist in eine neue Runde gegangen. Die montenegrinische Regierungspartei DPS und die Staatsanwaltschaft behaupten, dass eine Gruppe von prorussischen Serben am 16. Oktober, dem Tag der Parlamentswahlen, einen Putsch gegen die Regierung in Montenegro geplant habe. Moskau soll seine Finger mit im Spiel gehabt haben.

Angesichts der spärlichen Fakten, der verschiedenen Verschwörungstheorien und Interessen und der politisch abhängigen Justiz scheint eine Aufklärung unmöglich. Manche denken, dass der "starke Mann" Montenegros, Milo Djukanović, und seine Leute den Putschversuch selbst inszeniert hätten, um Angst zu schüren, die Wahl zu gewinnen und die Opposition zu kriminalisieren.

Schlüssel hineingeschwindelt

Der in Montenegro festgenommene serbische Ex-Gendarmerie-Chef Bratislav Dikić behauptet etwa, ihm sei ein Schlüssel für ein Waffendepot in seine Tasche geschwindelt worden – die ganze Sache sei inszeniert. Djukanović wiederum sagt, die prorussische Partei Demokratische Front sei an dem Plot beteiligt gewesen. Sicher ist: Djukanović will mithilfe des Westens an der Macht bleiben. Weil die Fäden in Montenegro bei ihm zusammenlaufen, sind auch alle – der Westen wie Russland – auf ihn angewiesen.

Die Nato ist in erster Linie daran interessiert, die Lücke zwischen den Nato-Staaten Kroatien und Albanien an der Adriaküste zu schließen – 250 Kilometer gehören zu Montenegro. Russland ist darüber mehr als verärgert. Das Außenministerium in Moskau nannte den Nato-Beitritt Montenegros einen "konfrontativen Schritt", der zu einer weiteren Destabilisierung führen würde. Gefährlich wurde die montenegrinische Causa nun aber vor allem für den serbischen Premier Aleksandar Vučić, der seit Jahren den Balanceakt zwischen Russland und dem Westen sucht.

Indirekt wird ihm nun ja vorgeworfen, dass er sein Land nicht im Griff habe, wenn von dort aus Anschläge auf den montenegrinischen Premier geplant würden. Vučić hat eingeräumt, dass es Anschlagspläne gegeben habe – allerdings hätten diese nichts mit dem serbischen Staat zu tun, vielmehr seien ausländische Geheimdienste involviert. In der Nähe seines Hauses wurden übrigens vergangene Woche zahlreiche Waffen und Munition gefunden.

Instabile geopolitische Lage

Wegen der Schwäche der EU, der unklaren Ausrichtung der USA, der stärkeren Präsenz der Golfstaaten, der Bestrebungen der Türkei und der geopolitischen Spiele Russlands ist ein heftiges Gerangel auf dem Balkan, etwa in Mazedonien und in Bosnien-Herzegowina, zu spüren. Nur Albanien und der Kosovo gelten als klar prowestlich. Der komplett intransparente Charakter der jüngsten Ereignisse in Montenegro ähnelt zudem dem Geschehen rund um die Schießereien im mazedonischen Kumanovo im Vorjahr. (Adelheid Wölfl, 2.11.2016)