Moskau/Chișinau – Die erste direkte Präsidentenwahl in der Republik Moldau seit 20 Jahren geht in die Verlängerung. Am Sonntag konnte sich keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit sichern. Sozialistenführer Igor Dodon verfehlte mit 48,5 Prozent knapp einen Erstrundensieg. In der Stichwahl muss er nun gegen die Zweitplatzierte Maia Sandu antreten, die 38,2 Prozent erreichte. Die OSZE bewertete die Wahlen als fair und gut organisiert.
Dodon gilt aufgrund seines Vorsprungs als Favorit und gab sich entsprechend selbstbewusst: "Ich bin fest davon überzeugt, dass Maia Sandu in der Stichwahl verliert", sagte er. Wenn er die Unterstützung anderer linker Parteien bekomme, werde er 60 Prozent erreichen, doch auch ohne diese Hilfe werde es zu einem Sieg mit 52 oder 53 Prozent reichen.
Beide mit Reserven
Nicht alle Experten sind davon überzeugt. Immerhin konnte Sandu zuletzt deutlich aufholen. Der Direktor der Stiftung "Humanismus, Fortschritt und Rechtsstaatlichkeit", Juri Nagernjak, erklärte auf einer Pressekonferenz in Moskau, das Ergebnis der Stichwahl sei nicht vorherzusagen: "Beide Kandidaten haben noch Reserven, es kommt nun darauf an, wer sie besser mobilisiert."
Für Dodon geht es vor allem darum, Wähler des in Runde eins gescheiterten prorussischen Kandidaten Dmitri Tschubaschenko zu gewinnen. Von den Kommunisten kann er keine Wahlempfehlung erwarten.
Junge Wähler blieben daheim
Sandu hingegen wird versuchen, die Wähler der übrigen Kandidaten aus dem eher liberalen und proeuropäischen Lager hinter sich zu versammeln und junge Wähler zu mobilisieren, unter denen die Exbildungsministerin laut Nagernjak populärer ist als ihr Gegenkandidat. Am Sonntag allerdings blieben viele junge Menschen der Abstimmung fern.
Die Befugnisse des moldauischen Präsidenten sind zwar beschränkt, dennoch gilt die Wahl als richtungsweisend für den künftigen Kurs des Landes. Dodon hat für den Fall eines Sieges bereits ein Referendum über die Aufhebung des Assoziierungsabkommens mit der EU und eine Annäherung an Russland angekündigt. Tatsächlich ist das Land in der Frage gespalten. Da Moldau arm ist, arbeiten viele Bürger im Ausland. Ein Großteil davon verdient sein Geld in Russland, während andere ihr Glück in Europa versuchen. (André Ballin, 1.11.2016)