Das Neopatriarchat kennzeichnet eines: Formenwandel. Nicht länger sind es nur Männer. Männlichkeit ist das allumfassende Prinzip.

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Das Neopatriarchat kennzeichnet eines: Formenwandel. Nicht länger sind es nur Männer. Männlichkeit ist das allumfassende Prinzip. Nicht ungünstig, wenn beides zusammenfällt. Aber nicht unbedingt notwendig. Ist doch praktisch? Ja und nein.

Wir können allerorts ein modernisiertes Patriarchat erkennen. In Politik, Wirtschaft, Glaubensgemeinschaften oder Medien. Die Re-Formierung männlicher Vormachtstellung ist ein globaler Exportschlager. Entsolidarisierung, Technologisierung, Machtanspruch und glasklare Segregationen. Dabei kommt die Exklusion im Deckmäntelchen durchaus adrett daher. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse über Frauen und Männer lehren uns häufig nur eines: Es geht um Macht. Und der ist jede (subtile) Form von Unterordnung recht.

Diffamation von Weiblichkeit

Männliche Vorherrschaft also? Hegemonie tritt heute – vordergründig sogar freiwillig – an, zu überwinden, was letztlich erhalten bleiben soll. Viele leiden darunter. Moderne Geschlechterordnungen diffamieren laufend Weiblichkeit. Geleitet von ängstlichen, irrationalen Vorstellungen von dieser. Auf der anderen Seite kommen vermeintlich immer mehr Sphären von Männlichkeit abhanden, weil Frauen in Entscheidungspositionen vordringen. Und erfolgreich Entscheidungen treffen.

Genau diese Schwelle zu überschreiten überfordert augenscheinlich. Und so tritt eine zugespitzte Männlichkeit im 21. Jahrhundert auch so häufig als groteske Clownerie in Erscheinung. Sie überholt sich selbst. Zwar hat es den Anschein, als würde sie ihre Vormachtstellung behaupten. Vermutlich steht sie aber vor dem Kollaps.

Aufwertung als Überlebensstrategie?

Während in den 90er-Jahren noch eine Suche nach alternativer Männlichkeit aufkeimte, wird heute praktisch nur mehr ein Rückgriff auf martialische Muster erlaubt. Männer geben sich überlegener, als sie sind. Oder haben sie aufgegeben? Sie sind genauso verstrickt in jene Formen der Unterordnung, die uns gegenwärtig solchen Schaden zufügen. Das Unbehagen artikuliert sich vielerorts. Kurzum: Es wäre an der Zeit, die Vorzeichen zu ändern.

Das mag in der bestehenden Ordnung schwierig erscheinen. Denn zahlreiche Formen von Anpassung sind bestens etabliert. Das Stockholm-Syndrom der Hegemonie ist die Kür. Diese Individuen verehren und lieben den Aggressor. Die totale Aufwertung der eigenen Spezies als Überlebensstrategie? Auch die Geiselhäftlinge wissen, was tun. Weil sie nichts ausrichten können? Oder die Blockwarte der Hegemonie, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind, weil sie gar keine Alternativen erkennen können.

Verzicht auf Privilegien

Andererseits formiert sich Widerstand. Viele Frauen und Männer wollen keinen Schulterschluss mit einer Männlichkeit, die sich laufend der Lächerlichkeit preisgibt. Die tobt und wütet, weil sie ahnt, dass sie sich bald selbst erledigt hat. Die exkludierenden Kräfte versuchen uns beständig einzureden, dass uns etwas weggenommen wird. Inklusive Ansätze hingegen verdeutlichen, dass wir an einem Punkt angekommen sind, wo Verteilungen bereits neu gedacht werden können. Dass aber Konsequenzen damit verbunden sind.

Der Verzicht auf – allzu häufig nur vermeintliche – Privilegien birgt Möglichkeiten zur Entwicklung. Diese gilt es zu entdecken und zu formulieren. Auch wenn wir noch kaum über Instrumente zur Realisierung einer neuen Ordnung verfügen. (Norbert Pauser, 4.11.2016)