Wien – Bei den Verhandlungen um einen neuen Finanzausgleich ist Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) den Ländern und Gemeinden am Sonntag entgegengekommen. Die Länder hatten zuletzt auf 500 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln pro Jahr gedrängt, um ihre Aufgaben finanzieren zu können. Eine Forderung in ähnlicher Höhe gab es laut Verhandlerkreisen auch von den Gemeinden.

Schelling hat nun pro Jahr 300 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln für Länder und Gemeinden angeboten. Allerdings soll die Auszahlung nur erfolgen, wenn konkrete Leistungen erbracht werden. Als Beispiel werden Krankenanstalten und die Primärversorgung genannt. Über den genauen Kriterienkatalog war vorerst nichts bekannt. Darüber hinaus ist eine Einmalzahlung in Höhe von 125 Millionen Euro für den Integrationsbereich im Schelling-Angebot vorgesehen.

Finalisierung am Montag

Die Länder werden nun am Montag ab 8.00 Uhr auf Ebene der Landesfinanzreferenten darüber beraten. Geht alles gut, wovon man in Verhandlerkreisen am späten Sonntagabend ausging, soll der neue Finanzausgleich, der die Verteilung des aktuell rund 81 Milliarden Euro großen Steuerkuchens regelt, anschließend unter Dach und Fach gebracht werden.

Einige zentrale Eckpunkte des Deals sind bereits am Sonntag durchgesickert. Ein Überblick:

  • Gesundheit Die Gesundheitsausgaben sollen künftig maximal um jährlich 3,2 Prozent steigen (derzeit dürfen sie um höchstens 3,6 Prozent steigen).
  • Pflege: Der Pflegefonds wird ab dem Jahr 2018 um jährlich 4,5 Prozent valorisiert.
  • Kinderbetreuung Bei der Kinderbetreuung soll sich die Ausschüttung der Gelder künftig stärker an tatsächlich erbrachten Leistungen orientieren. Details müssen aber erst nachverhandelt werden. So sollen bei den Kleinsten (bis sechs Jahre) bis September 2017 konkrete Kriterien für die Verteilung festgelegt werden. Bei den Sieben- bis 15-Jährigen lässt man sich sogar ein Jahr länger Zeit.
  • Wohnbauförderung: Derzeit wird sie vom Bund eingehoben. Künftig soll es sich bei der Wohnbauförderung um eine Länderkompetenz handeln. Die Länder könnten also auch die Sätze anpassen. Von einer generellen Steuerautonomie war schon länger keine Rede mehr. Einige Länder, vor allem die SPÖ-regierten, hatten das abgelehnt. Offenbar aufgeschoben wurde die Frage der Grundsteuerreform.
  • Haftungsobergrenzen: Quasi als Lehre aus dem Hypo-Debakel werden Haftungsobergrenzen definiert. Städte und Gemeinden dürfen demnach Haftungen von maximal 75 Prozent ihrer Nettoeinnahmen eingehen, bei Ländern und dem Bund werden es 175 Prozent sein. Auch das schon lange geforderte Spekulationsverbot soll künftig einheitlich in allen neun Ländern gelten (in Kärnten und dem Burgenland fehlen noch Regelungen). Derzeit noch kein Thema ist das überlegte Länder-Insolvenzrecht. Über dieses soll erst im kommenden Jahr entschieden werden.



    Streit um Mindestsicherung

Überschattet wurde das Finale der Verhandlungen durch den Streit der Koalitoinsparteien um die Mindestsicherung. Wie berichtet, hat Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) den Ländern bei der Mindestsicherung eine letzte Frist bis Montag, zwölf Uhr gegeben. Sollten sich dann nicht zumindest sieben Länder für seinen jüngsten Kompromissvorschlag entscheiden, sieht er die Verhandlungen als gescheitert an. Die ÖVP hatte bereits vor dem Wochenende klargemacht, dass sie einer Sieben-Länder-Lösung keinesfalls zustimmen würde.

Ersatz für Krankenversicherung

Ohne neuen Bund-Länder-Vertrag würden die Länder aber um jene Mittel umfallen, die der Bund für die Krankenversicherung der Mindestsicherungsbezieher zuschießt. Allein heuer geht es dabei um rund 50 Millionen Euro. Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) erklärte am Sonntag, er wolle dieses Geld jedenfalls unabhängig vom Abschluss eines neuen Mindestsicherungsvertrags.

In der Sache bewegte sich am Wochenende nicht mehr viel. Sozialminister Stöger bekräftigte am Sonntag, dass er zu keinen weiteren Konzessionen bereit sei. Beim Deckel von 1500 Euro sei man der ÖVP ohnehin entgegengekommen, wobei diese aber beklagt, dass es sich beim Stöger-Vorschlag nur um eine Kann-Bestimmung handle, einzelne Länder also doch wieder mehr zahlen könnten. Die von Teilen der ÖVP verlangte Wartefrist für Zuwanderer lehnt Stöger weiter kategorisch ab. "Die gibt es mit uns nicht, und auch nicht mit den Grünen", erklärte ein Sprecher.

Welt geht nicht unter

Laut Pühringer würde die Welt aber auch nicht untergehen, wenn es keine einheitliche Regelung gebe. In diese Richtung äußerte sich auch Innenminister Wolfgang Sobotka. "Ich habe als Föderalist überhaupt gar nichts dagegen. Für mich ist es, wenn es neun Lösungen gibt, überhaupt kein Unheil", sagte er im ORF-Radio. Die ÖVP werde jedenfalls keinen Millimeter von ihren Forderungen abrücken. Der Konter von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler: "Das erbärmliche Schauspiel, das eine ehemals christlich-soziale Partei hier abliefert, ist leider nur zu leicht zu durchschauen." (go, 6.11.2016)