Mit dem Austrocknen der Balkanroute ist in Ungarn die Luft aus dem Flüchtlingsthema weitgehend raus. Da er aber dem Land sonst nichts zu sagen hat, muss Premier Viktor Orbán weiter darauf herumreiten. Inhaltlich haben das Referendum gegen die EU-Quoten im Vormonat und die am Dienstag verhandelte Verfassungsänderung wenig Bedeutung. Ihr Scheitern fügt dem Rechtspopulisten Orbán innenpolitisch kaum Schaden zu.

Die Verfassungsnovelle floppte nämlich ausgerechnet wegen der fehlenden Zustimmung der rechtsextremen Jobbik. Orbán hatte sich auf ein taktisches Spielchen mit den Ultrarechten eingelassen, die sich sonst in "nationalen Angelegenheiten" als stiller Koalitionär zu verhalten pflegen. Diesmal aber formulierte Jobbik-Chef Gábor Vona eine Bedingung: die Abschaffung des Handels mit Niederlassungsrechten für Nicht-EU-Ausländer. Orbán erklärte, sich "nicht erpressen" zu lassen. Wer nicht für die Verfassungsänderung stimme, sei ein "Heimatverräter", gab die Regierungspropaganda die Marschrichtung vor.

Das Orbán-Lager wähnte sich in einer Win-win-Situation. Hätte die Jobbik mitgestimmt, hätte Vona das Gesicht verloren, weil er im Gegenzug nichts bekommen hätte. Nun aber wird die Orbán-Propaganda den rechten Rivalen als "Verräter" abstempeln. Orbán bewies, dass er allemal noch in der Lage ist, aus der Flüchtlingsfrage politisches Kleingeld zu schlagen. (Gregor Mayer, 8.11.2016)