Breite Skier. Richtig breite Skier. Unfassbar breite Skier. Was da an den dicken Innenwänden im gut versteckten Backsteinbau lehnt, riecht einige Momente lang nicht nur nach frisch zersägtem Holz, sondern auch nach unverspurtem Tiefschnee. Aber man befindet sich in der Fünfhausgasse im 15. Wiener Bezirk, da ist der Duft schnell wieder aus der Nase.

Ein paar Snowboards sind ebenfalls im hohen Raum aufgereiht, selbst das Modell eines Surfbretts liegt auf einer Hobelbank. "Aber das ist noch in der Testphase", sagt Clemens Frankl. "Ich würde dir noch nicht empfehlen, eines in Auftrag zu geben."

Foto: Jürgen Knoth

Mit Vollholzkern

Bei Skiern und Snowboards schaut die Sache anders aus. Seit gut fünf Jahren wird im revitalisierten Ziegelbau, der früher einmal eine Erbsenschälfabrik samt Mühle beheimatete, an selbst hergestellten Wintersportgeräten gebastelt. Im Dezember 2014 erfolgte der Verkaufsstart für die maßgeschneiderten Skier und Snowboards made in Vienna, die unter dem Namen "Ünique Skis" vertrieben werden.

Das Rad haben die skiverrückten Unternehmensgründer Clemens Frankl (32) und Dominic Haffner (35) aus Wien nicht neu erfunden. "Wir haben ein Paar Ski zersägt und einmal geschaut", sagt Frankl. Die Erkenntnis: Nichts geht über Skier mit Vollholzkern – am besten und nachhaltigsten aus regionaler Produktion.

Dazu ein bisschen Karbonfaser oder Fiberglas, Epoxidharz, Polyurethan für die Seitenwangen, gehärtete Stahlkanten und ein Belag aus Polyethylen. Als Wiedererkennungswert erhalten die Wintersportgeräte auf der Oberfläche ein Holzfurnier. Das stammt von einem lokalen Verkäufer im Bezirk, Kunden können zwischen mehr als 200 Modellen wählen – womit aufgrund der speziellen Maserung des Holzes kein Ski dem anderen gleicht.

Der perfekte Ski

Das Start-up hat sich mit breiten Skiern vor allem auf Kunden im wachsenden Freeride- und Tourenski-Segment spezialisiert. Aber auch Skifahrer, die mit ihren Carvern am liebsten über pickelhart gepresste Pisten jagen, werden nicht links liegen gelassen. "Zu uns ist ein Kunde gekommen, der war von seinem Fischer-Renncarver RC4 so begeistert", erzählt Frankl. "Sein Modell wurde aber nicht mehr produziert. Also haben wir ihm seinen Ski so weit wie möglich nachgebaut."

Wie alles angefangen hat? Clemens Frankl und Dominic Haffner (links) haben einfach ein Paar Ski zersägt – um zu sehen, was sich darin verbirgt.
Foto: Marion Luttenberger

Die Idee für selbstgebaute Skier trugen Frankl und Haffner, die sich seit Kindheitstagen kennen, lange mit sich herum. Frankl, der Politikwissenschaften und internationale Beziehungen studierte, verschlug es aber zunächst in die PR- und Kommunikationsbranche. Haffner studierte Physik und war als Patentanwaltsanwärter tätig, vor allem im Bereich Maschinenbau und Technik. "Ich habe auch für Skihersteller Skipatente geschrieben", erzählt er. Der Skivirus ließ aber beide nicht los: In der Saison 2010/11 jobbte Frankl als Skilehrer im japanischen Niseko nahe Sapporo. Haffner skilehrerte im kanadischen Whistler.

70 Prozent Handarbeit

Zurück in Wien, wurde am perfekten Freeride-Ski gebastelt. Noch vor der Produktion des ersten Prototyps wurde um 21.000 Euro eine Fräse angeschafft. Sie wurde 1997 hergestellt und war zuvor in einem Werkzeugbetrieb im Einsatz, der Innenverkleidungen von Lkws herstellte. Das 4,6-Tonnen-Ding sollte künftig den Vollholzkern nach Vorgaben von Frankl und Haffner ausfräsen. "Wie dick der Kern an welcher Stelle des Skis sein soll, darauf kommt es an", sagt Frankl. Dazu kommt das Wissen um Vorspannung, Torsionssteifigkeit und Schwingungsverhalten des Skis.

Das Know-how erhielten die Akademiker von zwei Snowboard-Bauern aus Krems, die im Gegenzug die Werkstatt mitbenutzen dürfen. "Hilfreich war auch das Netzwerk skibuilders.com, wo sich Skibauer weltweit mit Erfahrungen austauschen", sagt Haffner. "Nur unsere Fräsdaten sagen wir niemandem." Gefüttert wird der Fräscomputer aufgrund des Alters übrigens nicht mit Daten von einer CD oder einem USB-Stick. Haffner: "Die Diskette ist das Modell der Wahl." Der Rest wird in Handarbeit erledigt, Frankl schätzt den manuellen Anteil am Gesamtwerk auf 70 Prozent.

Woran Ünique Skis zu erkennen sind? Am Holzfurnier auf der Oberfläche.
Foto: Marion Luttenberger

Billig ist der Ski nach Maß nicht: 1.990 Euro sind dafür abzulegen. 2.500 Euro werden insgesamt fällig, wenn der Ski inklusive Fahrstilanalyse während eines halben Skitags am Berg vermessen wird. Als diesbezüglicher Experte ist Gernot Pöchgraber bei Ünique Skis mit an Bord. Er hat früher selbst Skirennen bestritten und war als Testfahrer und Mitentwickler von Skimodellen bei einem großen heimischen Skihersteller beschäftigt.

Die Skier, die auch per Online-Konfigurator auf der Homepage individuell designt werden können, werden in zwei bis vier Wochen zugestellt. "Wenn es sein muss, geht es auch in fünf Tagen", sagt Frankl. Mehr geht aber nicht, weil der Ski, wie ein Wein, auch gelagert werden sollte. Frankl: "Dem Ski werden Ruhephasen gegönnt, um interne Spannungen zu vermeiden." Bei industriell gefertigten Latten dauere dieser Prozess sieben Minuten. "Bei uns sind das acht Stunden." Zudem werden dickere Kanten als industriell üblich verarbeitet, beim Belag ist ein Drittel mehr Fleisch da – was den Ski schwerer macht. Frankl: "Tests haben gezeigt, dass unser Ski 200 Skitage halten sollte. Bei industriell gefertigten Skiern sind es 60 bis 100 Skitage."

Selbst das erste von Ünique Skis erschaffene Ski-Paar steht noch in der Werkstatt. Einen Schönheitspreis gewinnt es nicht, die vordere Schaufel ist nur geringfügig ausgeprägt. Frankl: "Der Ski funktioniert noch super, aber in Buckelpisten würde ich damit eher nicht hineinfahren."

Handarbeit macht rund 70 Prozent aus, schätzt Frankl.
Foto: Marion Luttenberger

Nischenprodukt

Individuell hergestellte Skier sind auch ob ihres Preises – sofern hochwertige Materialien verwendet werden – ein absolutes Nischenprodukt. Um die Zielgruppe zu vergrößern, bieten Ünique Skis seit dem Vorjahr auch kleine Serienproduktionen an, die durch Crowdfunding finanziert wurden: klassische Freeride-Latten, die von den Jungunternehmern entwickelt wurden und auch auf der Piste nicht zu verachten sind. Mitgemacht haben laut Frankl auch Kunden aus Japan, Hongkong, Nord- und Südamerika, Skandinavien oder den Benelux-Ländern. Drei Modelle sind in diesem Winter im Portfolio und für jeweils 890 Euro zu haben. Zudem wird am Design eines Freeride-Skis für Rapid-Fans gebastelt. "Bei uns bestellen zu 95 Prozent Männer", sagt Frankl.

Die Ski-Industrie in Österreich hatte zuletzt mit einem Minus zu kämpfen. 326.000 Paar Ski wurden 2014/15 an den österreichischen Handel und Verleih verkauft – rund 40.000 weniger als im Jahr davor, heißt es vom Verband der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs (VSSÖ). Ünique Skis ist hingegen auf sehr kleinem Niveau deutlich gewachsen. 2015/16 waren die Verkäufe erstmals dreistellig, für diese Saison werden laut Frankl "160 bis 170 Stück" angepeilt. Die drei Serienmodelle von Ünique Skis sind ab dieser Saison erstmals österreichweit in sieben Shops erhältlich. "In Kombination mit Förderungen und Investoren können wir mittlerweile davon leben", sagt Frankl. Dazu kommt auch familiäre Unterstützung, das Werkstattgebäude ist im Besitz von Dominics Vater Thomas Haffner. Frankl: "Wenn es nicht funktioniert, haben wir keine Ausrede." (David Krutzler, 14.11.2016)

Zu 95 Prozent bestellen Männer.
Foto: Jürgen Knoth