Bild nicht mehr verfügbar.

Die Place de la Bastille bei Nacht. Ein Jahr nach den Terroranschlägen bemüht sich Paris aktiv, einzelne Viertel wieder attraktiv für Gäste aus aller Welt zu machen. Ein Prozess, der noch andauern wird.

Foto: Getty Images/Jean Marc Romain
Foto: Getty Images/iStockphoto/Nikada

Arrondissement des Gobelins: 1996 wurde hier der Neubau der Nationalbibliothek von Dominique Perrault fertiggestellt.

Foto: Getty Images/iStockphoto/ez_thug

Es war unmittelbar nach den verheerenden Terrorattacken im November 2015, als sich Wirte, Hoteliers, Künstler und Köche aus dem elften Arrondissement zusammentaten – dem Arrondissement de Popincourt, wo sich auch das Bataclan befindet. Sie wollten verhindern, was sie schon kommen sahen: dass die Besucher künftig aus Angst vor Terroristen ausbleiben, dass der Hass gewinnt in der Stadt der Liebe. Tatsächlich brachen die Tourismuszahlen in Paris sofort ein. Das spürt die Branche immer noch.

Mit dem Verein Paris East Village begann man einen gleichnamigen Blog zu betreiben, der die Viertel um die Boulevards Diderot, Voltaire und Beaumarchais oder die Rue des Goncourt bewirbt. Hotelier Si Zyad Si Hocine ist einer der Menschen hinter dem Blog. Ein Jahr nach den Anschlägen sitzt er mit Journalisten im gemütlichen Restaurant Pozada in der Rue Guénot beim Essen. Die quadratischen Holztische wurden zu einer kleinen Tafel zusammengeschoben, und vor dampfender Quiche und Rinderbraten erzählt er, was ihn und die Kollegen damals angetrieben hatte.

Revolutionsviertel

Man wollte natürlich wie viele andere den "Je suis en terrasse"-Spirit aufleben lassen, mit dem man sich der Angst widersetzte, den öffentlichen Raum einzunehmen, dort weiter Freunde zu treffen und das Leben zu feiern. Aber für Si Hocine ging es um mehr, denn er sah seine Arbeit von Jahrzehnten gefährdet. Er war in seiner Branche einer der Ersten, die auf das Internet und soziale Medien setzten, schon als die Gegend – heute kaum vorstellbar – noch etwas im Schatten des Mainstreamtourismus stand.

"Die meisten rannten immer noch zum Eiffelturm", erzählt Si Hocine, "dabei hat bei uns immerhin die Revolution stattgefunden." Über die Jahre siedelten sich mehr und mehr Bars, Restaurants, Hotels, Shops und Kultureinrichtungen an. Die Touristen kamen. Das soll wieder so werden.

Polizei im Hintergrund

Wer vor kurzem während der 15. Pariser Nuit Blanche, bei der hunderte Kunstinstallationen im öffentlichen Raum gezeigt werden, durch das nächtliche Paris spazierte, konnte glauben, es ist schon alles vergessen. Gerade im elften Arrondissement rund um das Rathaus und vor allem am Seine-Ufer gingen Tausende entspannt von Station zu Station. Auch auf der Straße, obwohl der Verkehr nicht gesperrt wurde. An der Stelle, wo man den Wasserwirbel, den Anish Kapoor in den Fluss baute, sehen konnte, drängten sich die Menschen. Die Polizei hielt sich fast unsichtbar im Hintergrund.

Doch es gibt noch andere Gegenden, die um Aufmerksamkeit buhlen, wo tatsächlich noch immer wenige Touristen unterwegs sind – und das nicht erst seit dem 13. November 2015. Im Arrondissement des Gobelins, dem 13., entsteht schon seit 20 Jahren einer der architektonisch aufregendsten urbanen Stadtteile Europas.

Rive Gauche

1996 wurde hier der Neubau der Nationalbibliothek von Dominique Perrault fertiggestellt. Vier 79 Meter hohe Türme, die – fast völlig transparent – offenen Büchern gleichen, die Etagen kann man als Zeilen lesen. In der Mitte liegt ein Wald aus Bäumen aus der Normandie versenkt, den man erst wahrnimmt, wenn man näherkommt.

Der spektakuläre Bau war nur der Anfang. Nach und nach wurde das ehemalige Industrieviertel mit moderner Architektur etwa von Christian de Portzamparc, Norman Foster, Jean Nouvel, Jean-Michel Wilmotte oder Frédéric Borel in das neue Rive-Gauche-Viertel verwandelt. Und es wird noch immer an allen Ecken gebaut. Dabei wird darauf geachtet, dass hier zwar schicke, aber keine sterilen Bürowüsten entstehen. Zwischen Bürogebäuden und Uni-Instituten stehen in festgelegter Regelmäßigkeit Wohnbauten.

Ein Viertel, in das man nicht zufällig kommt, doch Delphine Aboulker, die mit der von ihr gegründeten Agentur Architecture de Collection versucht, zeitgenössische Bauten zu erhalten und zu fördern, bietet Rundgänge durch die neu geschaffenen Straßen, Plätze und Parks an. Dort spielen Migrantenkinder zwischen ihren von Stararchitekten geplanten Wohnanlagen Fußball. Hier findet Stadtentwicklung statt, die eine visionäre Antwort auf alte Ghettos sein kann, vor denen man heute Angst hat wie nie zu vor. (Colette M. Schmidt, 16.11.2016)