Der Hauptkontrollraum des European Space Operations Centre heute...

ESA/J.Mai

... und in den 1960ern (damals freilich noch für die Esa-Vorläuferorganisation European Space Research Organisation).

Esa

Der Physiker Rolf Densing leitet das Kontrollzentrum seit Anfang 2016.

Wer die Sicherheitsschleuse passiert hat und zum ersten Mal das Raumflugkontrollzentrum (Esoc) der Europäischen Weltraumorganisation im hessischen Darmstadt betritt, wird schnell von einer euphorischen Aufbruchstimmung erfasst. Auf dem Weg zum Hauptgebäude hört man Ingenieure über Landungen auf Asteroiden diskutieren, erblickt einen baugleichen Zwilling der Kometensonde Rosetta und kommt am Büro eines ehemaligen Astronauten vorbei.

Trotz der architektonisch unauffälligen Kulisse ist spürbar: Man befindet sich mitten im irdischen Zentrum der europäischen Raumfahrt. "Hier läuft die zentrale Steuerung unserer Missionen", sagt der Physiker Rolf Densing, der das Esoc seit Anfang 2016 leitet. "Es ist der Ort, von dem beispielsweise Sonden zum Kometen Tschurjumow-Gerassimenko oder zum Mars geflogen werden, wo Manöver von langer Hand geplant und dann durchgeführt werden."

Jahrelange Vorarbeit

Am European Space Operations Centre, wie das Esoc in voller Länge heißt, arbeiten heute rund 900 Personen. Gegründet wurde es bereits im Jahr 1967, um die Satelliten der European Space Research Organisation (Esro) zu kontrollieren. Diese Weltraumforschungsorganisation ging 1975 in die neu gegründete Esa über, das Esoc wurde seither immer weiter ausgebaut. Aktuell haben Densing und seine Teams elf Missionen unter Kontrolle. Eine Vorstellung davon, was das genau bedeutet, bekommt man beim Besuch der unzähligen Planungs- und Kontrollräume am Esoc-Gelände in Darmstadt.

Da gibt es etwa die Missionsanalytiker, deren Arbeit beginnt lang, bevor noch eine Unternehmung überhaupt bewilligt ist: Sie berechnen, wie und unter welchen Bedingungen eine Sonde an ihr Ziel gelangen könnte. An offenen Fragen mangelt es in dieser Phase nicht: Welche Kapazitäten muss die Trägerrakete haben, wie hoch ist der Treibstoffbedarf der Sonde? Was ist die ideale Bahn, und wie viel wissenschaftliche Nutzlast kann transportiert werden? Auch die Entwicklung des Bodensegments muss bereits mitgedacht werden, also der Hardware und jener Systeme auf der Erde, mit denen die Ingenieure den Flug kontrollieren und Daten aus dem All empfangen können.

Keine Panik im Kontrollraum

Daraus ergibt sich das konkrete Betriebskonzept für eine Mission – doch damit ist es nicht getan. Denn sind die Satelliten oder Sonden erst einmal gestartet, kommt häufig vieles ganz anders, sagt Densing: "Eine Rakete setzt den Satelliten falsch aus, Weltraumschrott ist im Weg, oder sonst etwas läuft nicht exakt nach Plan. Sobald Bahndaten von unseren Bodenstationen reinkommen, untersuchen wir, ob die Sonde auf dem richtigen Weg ist, und wenn nicht, was zu tun ist, um sie wieder auf Kurs zu bringen."

Damit aber kein panischer Schnellschuss passiert und eine Sonde auf Nimmerwiedersehen im Weltraum verschwindet, gibt es zwei Teams, die ständig gegeneinander rechnen. "Im besten Fall kommen sie zum gleichen Ergebnis und einigen sich, wie wir den Kurs so korrigieren können, dass er wieder auf die Idealbahn führt."

Alle Manöver von Satelliten oder Sonden werden vom Hauptkontrollraum aus gesteuert. Mit seinen unzähligen Bildschirmen, auf denen Fotos, Daten von Bodenstationen, Statistiken, Programmiercodes und Countdowns flimmern, erinnert er ein bisschen an eine in die Jahre gekommene Kommandobrücke aus "Star Trek". Sobald die Routineflugbahn erreicht ist, übernimmt einer der Nebenkontrollräume.

Fieberhafte Fehlersuche

Bei interplanetaren Missionen müssen die Steuerungsbefehle freilich aufgrund der längeren Signallaufzeiten zwischen Erde und Sonde schon früher ausgegeben werden, die Manöver werden dann autonom ausgeführt. Kürzlich geschah dies etwa im Oktober im Zuge der Mission ExoMars, als die Sonde Trace Gas Orbiter in eine Marsumlaufbahn gebracht wurde.

Ihr kleines Testmodul Schiaparelli sollte auf dem Mars landen, stürzte beim Anflug jedoch ab und zerschellte. Operativ konnte man zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr eingreifen. Deshalb wird in Darmstadt versucht, alle erdenklichen Fehlerquellen schon im Vorfeld zu identifizieren und in der Programmierung zu berücksichtigen. "Im Keller haben wir die Folterkammer", sagt Densing. Dort stehen die Simulatoren, an denen die Missionsteams im Schichtbetrieb alle Operationen wieder und wieder durchgehen, während dauernd neue Fehler eingespielt werden, für die es Lösungen zu finden gilt.

Doch nicht nur die Flüge im All werden vom Esoc aus gelenkt, auch die Steuerungszentrale des Bodenstationsnetzwerks der Esa (Estrack) befindet sich dort. Das Netz besteht aus zehn Bodenstationen, die Satelliten und Raumsonden mit dem Raumflugkontrollzentrum in Darmstadt verbinden. Fünf Stationen befinden sich in Europa, zwei in Australien, zwei in Südamerika und eine in Afrika. Dort werden zahlreiche Antennen betrieben, darunter drei 35-Meter-Antennen, die jederzeit auch mit weit entfernten Raumsonden kommunizieren können. Densing: "Diese Riesenantennen sind wie große Ohren, die tief in den Weltraum lauschen können." (David Rennert, 17.12.2016)