Demonstranten stürmten am Mittwoch das Parlament in Brasilia.

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Brasilia – In Brasilien haben dutzende rechtsgerichtete Demonstranten das Parlament gestürmt und eine Machtübernahme durch das Militär gefordert. Die etwa 40 Eindringlinge überwanden am Mittwoch den Wachschutz im Kongress in Brasilia und zertrümmerten eine Glastür, wie Abgeordnete berichteten. Unterdessen protestierten in Rio de Janeiro mehr als 2.000 Demonstranten gegen Kürzungen im öffentlichen Dienst.

Die Eindringlinge störten mit Sprechchören den Sitzungsbeginn der Abgeordnetenkammer, während des Angriffs war der Saal allerdings so gut wie leer. Die Demonstranten sangen die Nationalhymne und skandierten Parolen gegen Korruption. Alle Beteiligten wurden festgenommen und zu einem Verhör bei der Parlamentspolizei gebracht.

Regierung empört

Ein Sprecher von Präsident Michel Temer bezeichnete den Vorfall als "Affront". Es habe sich um eine "Verletzung der Normen demokratischen Miteinanders" gehandelt. Parlamentarier äußerten sich besorgt. Der Abgeordnete Betinho Gomes sagte, der Vorfall sei eine "Warnung". "Wir kehren in eine Ära der Extreme zurück", sagte der Politiker. Von 1964 bis 1985 wurde Brasilien von einer Militärjunta beherrscht.

Brasilien steckt tief in einer Rezession: Die Wirtschaftsleistung ging im vergangenen Jahr um 3,8 Prozent zurück, für dieses Jahr wird ein weiterer Rückgang erwartet. Die gesellschaftlichen Spannungen sind groß, die Unzufriedenheit wächst. Immer wieder wurde das Land in der Vergangenheit von sozialen Massenprotesten erschüttert. Hinzu kommen Korruptionsaffären, in die auch Temers Kabinett verwickelt ist.

Gewalt gegen Demonstrierende

Bei den Protesten am Mittwoch in Rio ging ein Sondereinsatzkommando der Polizei mit Tränengas, Gummigeschoßen und Lärmgranaten gegen die Demonstranten vor. Sie hatten sich vor dem Regierungssitz des Teilstaates versammelt, um gegen die von Gouverneur Luiz Fernando Pezao angekündigten Budgetkürzungen zu demonstrieren.

Pezao ist wie Temer Mitglied der rechtsliberalen Partei der demokratischen Bewegung (PMDB). Die Partei, die mit Rousseffs Arbeiterpartei landesweit in einer Koalition war, hatte erfolgreich ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin betrieben.

Der Ende August gestürzten Rousseff war vorgeworfen worden, Budgetzahlen geschönt zu haben. Sie selbst weist die Vorwürfe zurück und betrachtet die Entmachtung als "Putsch" von konservativer Seite.

In Brasilien sind zahlreiche Politiker und Geschäftsleute in die Korruptionsaffäre rund um den Ölkonzern Petrobras verwickelt. Am Donnerstag wurde im Zusammenhang mit der Petrobras-Affäre auch der Vorgänger Pezaos, Sérgio Cabral, festgenommen. Er soll einer Gruppe angehört haben, die Bestechungsgelder in Millionenhöhe für öffentliche Projekte angenommen haben soll.

Bereits am Mittwoch war ein weiterer ehemaliger Gouverneur Rios festgenommen worden. Anthony Garotinho wird des Stimmenkaufs verdächtigt. Der Teilstaat Rio steht kurz vor der Pleite, Krankenhäusern und Rettungsdiensten geht allmählich das Geld aus. Auch die Ausrichtung der Olympischen Spiele im August machte dem Teilstaat schwer zu schaffen. (APA, AFP, 17.11.2016)