Nach dem Wahlsieg des Rechtspopulisten Donald Trump ist die Rückbesinnung auf die griechische Antike angesagt. Sogar unter amerikanischen Bloggern wie Andrew Sullivan, der im New York Magazine die Gefahr heraufbeschwor, die Demokratie könne wie in Platons Staat beschrieben in Tyrannis kippen. Selbst Barack Obama, nicht vorrangig dem europäischen Denken zugewandt, wählte Athen, um den Wert der Demokratie zu betonen.

Grund genug, die Lektüre eines neuen Buches von Otfried Höffe, dem Kant-Biografen aus Tübingen, zu empfehlen, der jetzt bei C. H. Beck eine Geschichte des politischen Denkens vorgelegt hat. Auch er beginnt mit Platon, der als elitärer Denker den Philosophen die Herrschaft im Staat überlassen wollte. Platons Argumente bleiben relevant und werden in diesen Tagen in vielen Texten zitiert. Die Tyrannen würden am Anfang besonders milde auftreten, schreibt Platon, mit Warmherzigkeit würden sie versuchen, Ängste zu vertreiben. Eine Täuschung.

Höffe leitet nach einer Schilderung der aristotelischen Philosophie über zum römischen Theoretiker und Politiker Marcus Tullius Cicero (106-43 v. Chr.), der in De re publica die Schwächen der wichtigsten Herrschaftsformen beschrieben hat. Die Monarchie schlage leicht um in Tyrannis, die Aristokratie in Oligarchie und die Demokratie in die "Herrschaft einer zügellosen Menge". Das ist heute die große Gefahr eines außer Rand und Band geratenen Populismus.

Das Buch widmet seine Kapitel den wichtigsten Denkern des Staates, von Machiavelli über Hobbes und Locke herauf zu Hegel und Mill. Es behandelt aber auch die amerikanischen Gründungsväter Alexander Hamilton und James Madison, die Miterfinder der Gewaltenteilung und des – angesichts des Stimmenvorsprungs von Hillary Clinton – heftig umstrittenen Systems der Wahlmänner – dargelegt in den 1787/88 publizierten Federalist Papers.

Wer sich ein bisschen in die Schriften dieser Pioniere vertieft hat, zu denen vor allem auch Thomas Jefferson gehört, weiß um das damalige Diskussionsniveau, das in den USA nie mehr, in Europa selten erreicht wurde. Wichtigstes Ergebnis: die beiden Kammern, denen eine zweidimensionale Gleichheit zugrunde liegt, die Bürgergleichheit im größeren Repräsentantenhaus, die Staatengleichheit im 100-köpfigen Senat.

Diese Aufteilung der Macht auf etliche Ebenen, bis hin zur allenfalls mehrheitsbrechenden "Elite" der Wahlmänner, relativiert in den USA das in Europa übliche Demokratieverständnis. (Gerfried Sperl, 17.11.2016)