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Derzeit gibt es in Österreich 1.620 Anfängerstudienplätze für Medizin. Neue entstehen an Privatuniversitäten.

Foto: dpa/Jochen Lübke

Derzeit gibt es in Österreich 1.620 Anfängerstudienplätze für Medizin. Zuletzt wurden sie durch die Einrichtung einer Medizinfakultät an der Universität Linz um 120 aufgestockt. In einem aktuellen Bericht ortet der Österreichische Wissenschaftsrat auch eine "erhebliche Gründungs-'Dynamik' des österreichischen Privatuniversitätssektors im Bereich der Medizin".

Tatsächlich wächst das Angebot stetig: Die Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Salzburg startet im Herbst 2017 ein Pharmaziestudium. Die zehnsemestrige Ausbildung ergänzt die bisherigen Studien Humanmedizin und Pflegewissenschaft. Und auch andere private Medizinstandorte bauen ihre Infrastruktur aus: Auf dem Campus Krems sollen noch bis Ende des Jahres zwei Gebäude für die Karl-Landsteiner-Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften fertiggestellt werden. Die Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien baut am Prater ein weiteres Gebäude für die medizinische Fakultät, das 2018 eröffnet werden soll.

Außerdem gibt es Pläne für eine Privat-Uni für Medizin in Baden bei Wien. In Tirol soll eine private "Medical School" errichtet werden, um die Versorgung mit Ärzten sicherzustellen.

Forschung – und Lehre

Gar nicht glücklich über die neuen Angebote ist Med-Uni-Wien-Rektor Markus Müller, der die Qualität der Ausbildungen anzweifelt und einen Reputationsschaden für Österreich fürchtet. "Die Latte, hier eine Akkreditierung zu kriegen, ist so niedrig, dass es international nicht salonfähig ist." Die Neugründungen seien eher "Kursanbieter" denn "Universitäten", urteilt der Wissenschaftsrat – in seinem Bericht schreibt er von "forschungsfreien Ausbildungsstätten".

Eine Kritik, der Karl Wöber, Präsident der Privathochschulkonferenz, gegenüber dem STANDARD entgegenhält: "Von forschungsfreien Ausbildungsstätten kann keine Rede sein." Es ließen sich zahlreiche Beispiele für Forschung an Privatunis geben. Zudem seien diese "auch die einzigen Hochschulen, die sich einer regelmäßigen Überprüfung ihrer Leistungen unterziehen müssen".

Von der Akkreditierungsagentur AQ Austria heißt es auf Anfrage, "dass der Vorwurf, die AQ würde Privatuniversitäten zulassen, an denen nicht geforscht würde, nicht zutreffend ist". Bei Neugründungen würden internationale Experten die Verbindung von Lehre und Forschung im Voraus – und dann abermals nach sechs Jahren überprüfen, sagt Geschäftsführer Achim Hopbach.

Das Problem liegt wo anders

Zur Intention, mit neuen Medizinstandorten einem möglichen Ärztemangel entgegenzuwirken, sagt Rektor Müller: "Wir haben in Österreich eine sehr hohe Ärztedichte, wir haben auch eine sehr hohe Dichte an Absolventen. Das Problem: Sie gehen ins Ausland." Einer Studie der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) zufolge will über die Hälfte aller Medizinstudierenden nach Abschluss Österreich verlassen. Der Grund laut Müller: "Ärzte müssen hier Tätigkeiten ausführen, die sie in anderen Ländern nicht machen müssen: pflegerische Tätigkeiten, administrative Tätigkeiten. Die neue Generation toleriert das nicht und läuft davon."

Artur Wechselberger, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), glaubt, dass die Gesamtzahl der Studienabsolventen den heimischen Bedarf in etwa decken würde. Das Bestreben müsse daher darin liegen, die jungen Medizinerinnen und Mediziner im Land zu halten. Ziel müssten attraktivere Arbeitsbedingungen sein, sagte Wechselberger dem STANDARD: "Dazu gehören besonders auch Wertschätzung und freiberufliche Handlungsautonomie."

Was, wenn die Quote fällt?

Sorgen bereitet derzeit auch jene Quote, durch die 75 Prozent der Studienplätze an Medizinuniversitäten für österreichische Studierende reserviert werden. Sollte sie nicht von der EU-Kommission verlängert werden – die Entscheidung darüber soll bis Jahresende feststehen – sei "zu erwarten, dass österreichische Universitäten noch mehr Mediziner für das Ausland 'produzieren'", sagte ÖAK-Chef Wechselberger.

Für den Ernstfall plant das Wissenschaftsministerium, Stipendien für ausländische Studierende an eine Bleibepflicht zu koppeln. Vorbildmodelle gebe es bereits in Ungarn und Südtirol. Diese mögliche Maßnahme hält Müller "für eine gute Idee"- so könne man signalisieren, dass es sich um eine Ausbildung mit hohem Gegenwert handelt, den die Steuerzahler aufbringen. (Lisa Breit, 22.11.2016)