Daytona – Schon nach den ersten Metern in der Daytona-Karthalle ist klar, dass die Frau Gemahlin schon den richtigen Riecher gehabt hat, als sie am Vorabend demonstrativ in den Lebensversicherungen geschmökert hat.

Weil Folgendes: Der heimische Motorradsportler Roland Resch kann es sich im Winter einfach nicht erlauben, Pause zu machen, und will es sich vermutlich nicht leisten, mehrere Monate im Jahr an eine Rennstrecke in der ewigen Sonne zu ziehen. Vor einigen Jahren, bei einem Gauderennen in der Karthalle, kam ihm dann die Idee, dass er hier perfekte Trainingsbedingungen vorfindet – zumindest fast halt. Denn die Strecke ist so eng, dass er seine 450er Supermoto kaum im zweiten Gang fahren konnte, und der Belag ist so rutschig, dass ihm dauernd das Vorderrad einklappte.

Die 10 PS der Suzuki DRZ reichen aus, um in der Daytona-Karthalle in Langenzersdorf bis ans Limit und auch weiter zu gehen.
Foto: Haliklik

Reschs Mentor und Entdecker Andreas Werth sagte seinerzeit über die erste Begegnung: "Ich hab den Resch damals bei einem Motocross-Rennen gesehen und mir dauernd gedacht, dass es ihn jeden Moment aufbirnen wird, weil er dauernd über das blockierte Vorderrad gefahren ist." Nachdem es den jungen Mann nicht birnte, wusste Werth, da steckt unendlich viel Talent in dem Buben, das es zu heben galt.

Extremrutschen

In der Halle gab es beim vierten Vorderrad-Rutscher bei Resch einen ähnlich luziden Moment. Er schreckte sich nämlich nicht mehr, hatte keine Angst mehr zu stürzen, sondern begann sich mit dem Manöver, das fast immer zum Sturz führt, zu spielen.

Nach ein paar feinen Adaptionen – 125er-Maschine statt 450er, räudige Stollenreifen statt Slicks – war das Wintertraining perfekt.

Vom rutschenden Vorderrad merkt man in der ersten Kurve nichts. Man sucht verzweifelt eine passende Sitzposition auf der sehr kleinen 125er-Suzuki. Zudem ist die Angst vor dem rutschigen Belag übergroß. Und Rolands Warnung während der Einleitung war jetzt auch nicht gerade eine wilde Motivation zum Andrücken.

299 Euro kostet das dreistündige Training bei Roland Resch, inklusive Sturzbudget.
Foto: Haliklik

"In der ersten Runde wirst du dich fragen, was du hier überhaupt tust", sprach er – und hatte recht. "Versuch aber einen extremen Hang-off zu fahren, damit du bald mit dem Knie aufsetzt. Das gibt dir ein schönes Sicherheitsgefühl. Pass aber auf, dass du nicht mit dem Knie in der Streckenbegrenzung einhakst, sonst zerreißt es dich ganz böse."

Und so turnt man sich einen Dodel auf dem Moped runter, weit weg von der Rennlinie, und schielt mit einem Auge immer nach der Kamera, die diese Blamage zur Freude mehrerer festhält.

Seien wir großzügig und sagen wir, es waren fünf Runden, die es gedauert hat, dass das Knie in jeder zweiten Kurve über den Boden strich. Nach zehn Runden war die Hetz schon riesengroß, nach weiteren zwei ging es mit letzter Kraft in die Boxenstraße. Krämpfe. Schmerzen. Adrenalin.

Zwei Minuten Dehnen und Stöhnen müssen reichen. Auch in diesem Alter. Wieder raus auf die glatte Piste.

Raster fahri

Nach einer Stunde rutscht die Fuhre in fast jeder Kurve entweder über das Vorder- oder Hinterrad, im Idealfall sogar über beide. In der langen Linkskurve, ganz hinten in der Halle, die in der ersten Runde noch sicher fünf Linkskurven war, kratzt auch noch der Raster auf dem Boden. Mit gewagten Gasstößen stellt man den Driftwinkel ein, damit das Vorderrad am Ende doch aus der Kurve zeigt.

Mit Resch, in der Halle, kann man sich über den Winter schon auf die erste Ausfahrt im Frühjahr vorbereiten.
Foto: Haliklik

Drei Kurven später ein fescher Highsider, der gerade noch einmal gutgegangen ist. Dreimal war der rutschenden Suzuki kein Einhalt mehr zu gebieten – Lowsider -, und als Passagier dauert das Warten aufs Ende der Massenträgheit eine gefühlte Ewigkeit. Vor allem, wenn Resch und Werth schon wieder hinter einem sind, obwohl sie eben noch vor einem waren.

Nach drei Stunden ist der ganze Spuk vorbei, das Leder nassgeschwitzt, die Knieschleifer hochglanzpoliert. Neben dem Schmerz in jedem Muskel sitzt einem auf einmal auch jede Menge Erfahrung in den Knochen, die man selbst durch jahrelanges Fahren am Ring nicht machen kann. Ein Rutscher übers Vorderrad kostet einen plötzlich nur noch ein Lächeln. Ein Training pro Woche, und Sie können im Frühjahr den Split liegen lassen. Ehrenwort. Lebensversicherung sinnlos. (Guido Gluschitsch, 29.11.2016)

Nachlese:

EICMA 16: Die schärfsten Zweiräder in Mailand

Titan Motorcycle: Mit alten Eisen schweißen

Motorrad-Quiz: Erkennen Sie noch dieses Motorrad?