Der tschechische Künstler Július Koller (1939-2007): "Universelle physisch-kulturelle Operation – Offensive" (U.F.O., 1970)


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Dirk Stermann eröffnet das Kunst-Spiel am 1. Dezember.


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Wien – Ob Dirk Stermann im zarten Alter von vier Jahren und ebenso vielen Monaten schon Tischtennis gespielt hat, wird er den Besucherinnen und Besuchern des Grand Opening des J. K. Pingpong-Klub / Fair Play kommende Woche sicherlich gern verraten: Er spielt bei diesem Ereignis den Moderator. Im Anschluss bis zum Ausstellungsende kann, wer will, in der Neuinszenierung von Július Kollers sportlichem Aktionsraum zu Schlägern und Bällen greifen, die Regeln neu definieren, ein "Fair Play" spielen.

Als Koller das Original seines Pingpong-Klubs in der Galéria Mladých (Galerie der Jugend) einrichtete, zählte er um 26 Lenze mehr als Stermann. Und damals, im März 1970, befand sich Bratislava, der Standort dieser Galerie, in größerer Distanz zu Wien als heute.

Zu Zeiten des "Eisernen Vorhangs" waren die Zeiten auch in Österreich anders. Am 1. März hatte Bruno Kreisky bei den Nationalratswahlen einen kräftigen Sieg eingefahren, die SPÖ wurde zur stärksten Partei. Wenig später, im Mai, veranstalteten die Festwochen unter Ulrich Baumgartner erstmals ein Avantgardeprogramm, die Arena 70. Kurator war Wolfgang Lesowski.

Politischer Frost

Die Avantgarde des einstigen "Ostblocks" – und damit auch Koller – war in Bedrängnis, denn in der CSSR (der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik) herrschte politischer Frost. 1968 endete der "Prager Frühling" blutig: Der Aufstand gegen das von der UdSSR gelenkte Regime erreichte seinen Höhepunkt, als Alexander Dubcek im Jänner '68 die Führung der KPC übernahm. Ziel war ein "Sozialismus mit menschlichem Antlitz". Alle Lebensbereiche wurden liberalisiert, Pressefreiheit inklusive. Dann, im August, marschierte die sowjetische Armee ein. In Österreich wurden Flüchtlinge aus der CSSR aufgenommen und unter anderem provisorisch in der Wiener Stadthalle untergebracht.

Auf die Niederschlagung des Prager Frühlings reagierte Koller mit dem forcierten Einsatz von Fragezeichen in seiner Kunst. Die Zeichen des Zweifels waren wesentliches Element in Kollers Konzept der Universell-kulturellen Futurologischen Operationen (U.F.O., ab 1970).

An den "U.F.O.-NAUTen" Július Koller (1939-2007) erinnerte der thailändische Künstler Rirkrit Tiravanija 2013 auf dem Wiener Stephansplatz: mit einem großen Fragezeichen in Form einer Menschenschlange. Parallel dazu stellte er einen Tischtennistisch mit der Aufschrift "Morgen ist die Frage" in die Galerie Martin Janda.

Die aktuelle Pingpong-Installation des Mumok bezieht sich wieder direkt auf Kollers Installation in der Galéria Mladých mit ihren J.-K.-Sportflaggen und der Verteilung von Regeln für ein Fair Play. Der J. K. Pingpong-Klub / Fair Play war als unmittelbares Statement gegen die Unterdrückung der Prager-Frühlings-Bewegung gemeint.

Dieses "Anti-Happening" erinnert an Marcel Duchamps Leidenschaft für das Schachspiel; beim Tischtennis des sportbegeisterten Július Koller kamen noch eine partizipative und eine konkret politische Dimension dazu.

Der Balltausch steht für Meinungsaustausch, auf die Tischtennisschläger hat Koller gerne seine Fragezeichen gemalt. Wer also in das "Anti-Happening" eintaucht, schupft die Bälle in zeit- und kunstgeschichtlich stark angereicherter Atmosphäre. Bei der Eröffnung werden unter anderen Mumok-Direktorin Karola Kraus, die Künstlerin Eva Schlegel, Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste, und der Künstler Hans Scheirl ihr Fair Play zeigen. (Helmut Ploebst, Spezial, 25.11.2016)